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Nachdem ich zuvor schon beschrieben habe, was mich an der Tesla Aktie begeistert und worin ich die Stärken von Tesla sehe, schaue ich mir in diesem Artikel die Schwächen an beziehungsweise das, was mich ‘persönlich’ von einem Investment abhält, daher erhebe ich keinen Vollständigkeits- oder Allgemeingültigkeitsanspruch. Ich empfehle zuerst meinen positiven Artikel zu dem Unternehmen lesen, da ich jeweils kompromisslos Pro & Contra aufzeigen wollte. Nur einen Artikel zu lesen, könnte ein stark verfälschtes Bild meiner Meinung abgeben.
Meine Skepsis hinsichtlich der Tesla Aktie ist insgesamt ‘weniger’ operativ begründet, sondern viel mehr durch die Begleitumstände, welche das Unternehmen umgeben. Tatsächlich erkenne ich eine Kontinuität problematischen Verhaltens, das bereits vor einigen Jahren begann und bis heute andauert. Vieles davon wird in Tesla Investierte nicht abschrecken, mich dafür umso mehr, obwohl ich immer wieder merke, dass vielen die Ausmaße vergangenen und gegenwärtigen Handels von Tesla und Musk nicht bewusst sind.
Es gibt jedoch auch handfeste Änderungen in der Zukunft, die Teslas Zahlen nicht unerheblich beeinflussen werden. Ein letztes Wort vorweg: Wenn ich etwas mache, dann detailliert. Ich hatte ursprünglich überlegt hieraus zwei Teile zu machen, aber ich bin der Meinung, dass ich gerade von Investierten verlangen kann, dass sie auch länger als 20 Minuten am Ball bleiben. Macht euch am besten nochmal einen Kaffee, öffnet nebenbei den letzten Geschäftsbericht von Tesla und nehmt euch ein wenig Zeit.
Schaut dazu auch gerne mein ausführliches Video:
Druck auf Marge, Gewinn & Free Cash Flow
Da mein Fokus auch hier auf den finanziellen Aspekten liegen soll, steige ich mit den Zahlen ein. In meinem Artikel zu den Stärken von Tesla, hatte ich insbesondere die Margen als Vorteil hervor gekehrt. Teslas operative Margen sind momentan wie gesagt einsame Spitze, die Free Cash Flows andauernd positiv. Jedoch sehe ich durchaus einige Wolken am Horizont, die dieses Bild etwas eintrüben können, denn nicht alles an den Margen ist nachhaltig und es gibt abseits der operativen Stärke des Unternehmens auch andere Aspekte, die diesen Margenvorteil erklären.
Höhere Steuern: Endende Verlustvorträge & China Tax Cut
Ich beginne mit dem Punkt, den meinem persönlichen Empfinden nach die wenigsten auf dem Schirm haben. Tesla profitiert zurzeit bei den in China erzielten Erträgen von einer sehr vorteilhaften Regelung mit der Lokalregierung in Shanghai. Im Filing (Geschäftsbericht) von Tesla lässt sich auch sehr genau nachlesen, wie hoch der momentane Vorteil ist.

Das Unternehmen hat bezogen auf die Gewinne in China also einen 10% Vorteil gegenüber anderen Unternehmen, der nur noch bis 2023 fortdauert. Neben den Verlustvorträgen erklärt das auch warum Tesla eine wirklich sehr niedrige effektive Steuerrate von 9% für das Gesamtjahr 2021 hatte.

Das ist erheblich weniger als bei den Konkurrenten aus der Automobilbranche. Ich habe in meine Berechnung die effektiven Steuersätze der letzten 5 Jahre einfließen lassen und daraus den einfachen Durchschnitt gebildet. Umso weiter Tesla in seiner Entwicklung voranschreitet und vor allem, wenn die Sonderregelung in China wegfällt, desto mehr wird sich der Steuersatz denen der Konkurrenten angleichen.

Wir wissen zwar nicht genau, wie viel der Gewinne in China anfallen, jedoch entfielen 2021 25,7% der Umsätze auf China und hier kann Tesla nicht auf jahrelange Verlustvorträge zurückgreifen. Schauen wir dann noch in die entsprechend auf den Bereich “Income Taxes” im letzten 10-K, also dem Jahres-Filing, offenbar sich ein weiteres Kuriosum, das vielen meinem Empfinden nach nicht bewusst ist. Obwohl Tesla 44,54% der Umsätze in den USA erzielt, wurden dort bislang keine Gewinne nach Verlustvorträgen generiert. Das heißt der gesamte ausgewiesene Gewinn vor Steuern in Höhe von 6,34 Milliarden fiel im Ausland an. Wie hoch der China-Anteil daran ist, kann ich nicht abschließend sagen. Gemessen daran, dass 33,44% Prozent der in 2021 verkauften Teslas in China ausgeliefert wurden und in den USA (32,26% der ausgelieferten Autos) kein Gewinn vor Steuern erzielt wurde, ist davon auszugehen, dass ein erheblicher Anteil der Gewinne auf das China-Geschäft fiel.

Unabhängig von der Steuern-Komponente, sind für mich Unternehmen mit einem hohen China-Anteil an Gewinnen und/oder Umsätzen ein Tabu, das ich konsequent beachte. Ich will an dieser Stelle wirklich keine Verschwörungstheorien befeuern, aber Zahlen, die ich nicht in Gänze nachvollziehen oder denen ich tendenziell nicht vertrauen kann, lassen mich die entsprechenden Firmen von vornherein aussortieren. Zudem sollte bedacht werden, dass das Übertragen von Bankguthaben von chinesischen Tochterunternehmen nicht ohne weiteres möglich ist. Über den Cashbestand, den Tesla aktuell ausweist, kann das Unternehmen also unter Umständen nicht frei verfügen bzw. nicht in voller Höhe.
Mein Fokus liegt bei Tesla jedoch nicht auf der China-Thematik, sondern der reinen handfesten steuerlichen Komponente. Teslas effektiver Steuersatz wird sich spätestens mit dem Ende der Sonderregelung in China deutlich erhöhen. Um eine konservative Betrachtung für die Zukunft anzunehmen, nehme ich den Steuersatz von VW als Grundlage, da das Unternehmen die niedrigste durchschnittliche Tax-rate hatte, und ziehe davon noch zugunsten Von Tesla 2% Unsicherheitsabschlag ab, womit ich auf eine kalkulatorische effektive Tax-Rate von 20% für Tesla in der Zukunft komme. Dazu sei noch gesagt, dass ich hier Tesla nicht schlechtrechne, sondern bei allen Aktien um Einmaleffekte bereinige, um die nachhaltigen Gewinne und Cash Flows zu ermitteln. Das ist etwas, was ich euch auch ganz grundsätzlich immer empfehlen würde, um fatalen Falschannahmen zu entgehen. Wie ihr es am Ende handhabt, ist euch überlassen.
Wenn wir diese Tax-rate auf den Gewinn vor Steuern (EBT) im Jahr 2021 anwenden würden, würde dies eine Differenz von ca. 570 Millionen auf den ausgewiesenen Gewinn ergeben und das ist durchaus etwas womit Tesla-Investierte aus den genannten Gründen auch für zukünftige Gewinne ‘und’ Cash Flows rechnen sollten. Sowohl weil die Verlustvorträge wegfallen als auch die China-Sonderregelungen. Ich kenne bislang kein DCF-Model von Tesla-Investierten, das diesen Punkt berücksichtigt.

Buchempfehlung für Einsteiger*:
Auslaufende Tax-Credits
Ich weiß, dass hin und wieder Tesla-Investiere in der Vergangenheit schon allergisch reagiert haben, wenn man den FCF & Gewinne um die Credit Sales bereinigt hat. Kurz nochmal zur Einordnung, was es damit auf sich hat: Unternehmen, die in nachhaltigen Geschäftsfeldern tätig sind, erhalten handelbare Credits, die sie an andere Unternehmen verkaufen, damit diese Strafen entgehen können, die sie in einigen Staaten aufgrund des CO2-Ausstoßes ihrer Produkte zahlen müssten. Eben das trifft auch auf Tesla und die anderen Autohersteller zu. Tesla verkaufte eben diese Credits an die direkten Konkurrenten in der Automobilbranche.
Dadurch, dass VW, Ford etc. nun ganz offenbar auch erkannt hat, dass an der Elektromobilität kein Weg vorbei führt, sind die Tage für die Credits gezählt. Tatsächlich bin ich mit dieser Meinung nicht alleine, da bereits mehrfach seitens der Executives von Tesla in den Earnings Calls darauf hingewiesen wurde, dass die Tax-Credits “kein langfristiger” Bestandteil von Teslas Business sind. Ein Signalwort für uns, die Erträge um Credits zu bereinigen. Ich will mich auch gar nicht mit der Thematik beschäftigen, ob das Unternehmen Credit sales vorgezogen hat, ob es das durfte oder wie es sich auf zukünftige Geschäftsberichte auswirkt. In dem Moment, in dem wir als Aktionär die Berichte um nicht nachhaltige Erträge bereinigen, sind wir auf der sicheren Seite, was die Beurteilung der operativen Stärke angeht.
Welchen Einfluss hatten die Sales also auf Margen, Cash Flow und Gewinne? Schauen wir uns dafür zunächst an wie hoch die Credits waren und an welcher Stelle sie im Income, respektive Cash Flow Statement, stehen:

Die 1,47 Milliarden Credits sind teil der ausgewiesenen Umsätze und diesen stehen marginale bis keine Kosten gegenüber. Daher erhöhen sie in voller Höhe die operativen Gewinne, Margen und abzüglich der Steuern auch den Free Cash Flow. Tesla wies im Jahr 2021 eine operative Marge (Operating income/Total revenues) von 12,12% aus. Wenn das Unternehmen keine credits verkauft hätte, wäre das operating income mit 5,06 Milliarden US-Dollar deutlich niedriger ausgefallen. Die operating margin hätte in diesem Fall 9,4% betragen, der Free Cash Flow wäre 1,17 Milliarden niedriger ausgefallen (Credits abzüglich Effekt tax-rate 20%). Die Credits sind also gerade bei den Margen ein erheblicher Faktor, der in absehbarer Zukunft wegfallen wird.
Was nicht beachtet wird: Finance leases
Ich hatte es vor kurzem schon mal bei Amazon thematisiert. Finance leases sind im Ergebnis nichts anderes als versteckte CapEx-Ausgaben. Finance leases dürft ihr hier der Einfachheit halber wie langfristige Mietverträge verstehen, bei denen das Investitionsrisiko auf den Mieter übergeht. Meine Argumentation dafür die Finance leases beim FCF zu bedenken, ist, dass Unternehmen schlicht einen Weg gefunden haben die Auswirkungen auf den FCF zu umgehen, obwohl sie de facto ein Investitionsobjekt verwenden, dem eine verzinste Verbindlichkeit gegenübersteht, die zu entsprechenden Cash Outflows führt. Sollen wir Unternehmen dafür belohnen, dass sie ein solches Tauschsystem verwenden? Trübt das nicht den Blick auf den tatsächlichen FCF? Eben das ist der Grund, warum ich bei der Bewertung meiner Aktien die Zahlungen für diese Leasingverträge ebenfalls als Investitionsausgaben erfasse. Bei Tesla betrugen diese Zahlungen 439 Millionen im Jahr 2021. Eben diese Zahl solltet ihr ebenfalls vom FCF abziehen, da Tesla selbst im Cash Flow Statement erwähnt, dass sie nicht in den CapEx-Ausgaben enthalten ist.

Buchempfehlung für Fortgeschrittene*:
Berechnung nachhaltiger FCF & Operative Marge
Wenn wir alle soeben genannten Effekte zusammennehmen, ihre Wechselwirkungen auf Steuern & FCF beachten und zudem noch die Stock-based compensation berücksichtigen, die ebenfalls den uns zustehenden Free Cash Flow erheblich reduzieren, ergibt sich ein FCF in Höhe von 666 Millionen für das Jahr 2021. Das weicht dann doch erheblich von dem ab, was das Unternehmen selbst ausweist.

Mir ist bewusst, dass die Stock-based compensations im Jahr 2021 relativ hoch waren und Tesla operativ noch Steigerungen aufzeigen konnte, daher habe ich für die ersten 6 Monate des laufenden Jahres die gleiche Rechnung erstellt.

Hier sollte jedoch beachtet werden, dass Teslas Inventar im Q2 deutlich aufgestockt wurde und ungewöhnlich hoch war. Dies stand sehr wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Fabrikschließung in Shanghai. Um das Unternehmen nicht unfair dafür zu ‘bestrafen’ sollte man das Operating Working Capital periodisch bereinigen. Dazu habe ich mir das Operating Working Capital der letzten Quartale im Verhältnis zum Umsatz angeschaut. im Verhältnis zu Q1 gibt es keine Auffälligkeiten, . Im Vergleich zu den 3 Quartalen zuvor jedoch schon. Ich halte es hier für nicht gänzlich abwegig eine Anpassung auf den FCF in Höhe von ca. 3% der Umsätze vorzunehmen, da davon auszugehen ist, dass das Inventar wieder auf einen ‘normalen’ Bereich abgebaut wird. Das wäre dann ein Aufschlag von ca. 0,5 Milliarden auf den FCF und somit insgesamt 0,8 Milliarden nachhaltiger FCF für die ersten beiden Quartale. Während ich diese Zeilen schreibe hat Tesla ein Enterprise Value von knapp 870 Milliarden. Selbst wenn wir den ausgewiesenen FCF der ersten beiden Quartale nehmen, die Anpassung von 0,5 Milliarden inkludieren und auf das gesamte Jahr hochrechnen, ergibt sich eine EV/FCF-Ratio im Bereich von ca. 130. Und wie gesagt: Diesen FCF erachte ich nicht als nachhaltig, wenngleich Tesla nach wie vor stark wächst und daher davon auszugehen ist, dass die genannten negativen Effekte wie das Wegfallen der credits und die höheren Steuern mehr als ausgeglichen werden. Das rechtfertigt dann aber eben noch nicht die Bewertung.

Buchempfehlung für sehr weit (!) Fortgeschrittene*:
Hin und wieder begegne ich dem Einwand, dass man sich nicht jede Zahl zurecht biegen könne bis es zur Argumentation passt. Es habe seinen Grund warum die Buchhaltungsstandards, in dem Fall US-GAAP, zum Beispiel die finance leases oder Stock-Based-Compensations nicht als FCF-reduzierend erfassen. Dabei geht vergessen, dass der FCF gar keine GAAP Größe ist, sondern in dem Ermessen der Unternehmen liegt. Eben das ist die Problematik bei der Kommunikation und Interpretation. Der Free Cash Flow ist nur dann aussagekräftig, wenn ihr in aussagekräftig berechnet.
Ich betone nochmal: Die vorgenommenen Anpassungen sind auch kein Schlechtrechnen von Tesla, sondern schlicht die gleiche Methode mir der ich auch meine Aktien behandele und es meinem Empfinden nach jeder tun sollte. Ihr müsst euch dem nicht anschließen, aber wundert euch nicht in der Zukunft, wenn auf einmal Margen, Gewinne und FCF zusammenschmelzen. Das ist eben ‘einer’ der Gründe warum ich nicht in Tesla investieren will. Die ausgewiesenen Zahlen sind in dieser Form eben nicht nachhaltig und ich sehe das noch nicht im Kurs berücksichtigt.
Forschung & Entwicklung - Risiko von der Konkurrenz überholt zu werden
In meinem Artikel über die Dinge, die mich an Tesla begeistern, hatte ich bereits angemerkt, dass Tesla ohne Frage immer noch das beste Preis-Leistungs-Verhältnis und Gesamtpaket bei den Autos liefert, aber die Einschläge beispielweise mit EQS, Mach E und BMW i4 durchaus näher gekommen sind. Die technische Überlegenheit ist ohne Frage ein, wenn nicht ‘das’, Kernelement für den zukünftigen Erfolg des Unternehmen. Ich traue mir nicht zu abzuschätzen, was das angemessene Forschungsbudget für ein Unternehmen wie Tesla ist, aber ich gewinne immer mehr den Eindruck, dass das Unternehmen die Ausgaben für Forschung & Entwicklung (R&D) deutlich zu niedrig ansetzt. Hier gibt es kein ‘richtig’ oder ‘falsch’. Nur viele Indizien dafür, dass Tesla den Platz an der Spitze eventuell verspielen könnte.
Was zunächst auffällt ist, dass die Umsätze stark gestiegen sind, die R&D-Ausgaben jedoch nicht. Betrachten wir zum Beispiel das Q1-2018 im Vergleich zum Q1-2022, fällt auf, dass die Umsätze um 450% gestiegen sind, die R&D-Ausgaben gerade mal um 136%. Dazu sollte noch erwähnt werden, dass dieser Vergleich sehr zugunsten von Tesla ist, da die R&D-Ausgaben in diesem Quartal außergewöhnlich hoch waren. Das Unternehmen hatte in diesem Quartal die Eröffnungskosten der Fabrik in Brandenburg mit in R&D inkludiert.

Die Forschungs- und Entwicklungsausgaben eines Unternehmens für sich genommen, sind jedoch noch keine relevante Größe, um die Gefährdung der Technologieführerschaft abschätzen zu können. Vergleicht man jedoch Teslas Ausgaben mit denen der direkten Konkurrenten aus der Automobilbranche, fällt zunächst auf, dass diese bei den absoluten Ausgaben deutlich vorne liegen.

Eben dieser Vergleich ist jedoch nicht sonderlich fair. Die ‘alten’ Autohersteller haben noch deutlich höhere Umsätze als das vergleichsweise junge Unternehmen. Doch wenn wir uns die Ausgaben in Relation zu den Umsätzen anschauen, zeigt sich, dass Tesla relativ fortwährend weniger für R&D ausgibt, während die etablierten Autohersteller relativ mehr ausgeben und zudem noch ihre Ausgaben steigern. Das betrifft vor allem Volkswagen. Dabei sollte bedacht werden, dass die jeweiligen Unternehmen verschiedene Sparten, Marken und viel mehr Fahrzeugtypen und Varianten haben, wobei eben das meinem Empfinden nach ein Vorteil der großen Autohersteller ist. Große Entwicklungen auf Konzernebene können an alle Marken und Modelle weitergegeben werden. Sei es nun im Luxusbereich oder für Massenmodelle. Die größere Fahrzeugpalette ermöglicht es mittel- bis langfristig auch eher den Wünschen der Kundinnen und Kunden gerecht zu werden und das vergleichsweise kosteneffizient, wie beispielsweise Volkswagens modularer Ansatz zeigt, der eine Plattform für mehrere Modelle verwendet.

Schaut man in die Geschäftsberichte der Unternehmen, dann fließen die Forschungsmilliarden laut diesen tatsächlich primär in Digitalisierung und neue Elektromodelle. Nach einer Schätzung von Reuters werden bis 2030 von den Autoherstellern mehr als eine halbe Billion in die Entwicklung von Elektroautos investiert. Ich war bis vor 2 Jahren auch noch ein Kritiker der Bräsigkeit mit der die traditionellen Autohersteller in diesem Feld vorangeschritten sind. Man wird jedoch mittlerweile nur schwer behaupten können, dass sie die Elektromobilität nicht als klaren Fokus ihres geschäftlichen Agierens begriffen haben.
Immer wenn ich Kritik an Teslas Forschungsausgaben übe, erhalte ich wirklich immer als Antwort, dass es egal sei wie viel Tesla relativ oder absolut einsetze. Tesla sei einfach viel effizienter als die anderen Autohersteller und benötige nicht so hohe Ausgaben. In diesen Momenten frage ich mich einerseits wie bewandert der durchschnittliche Investierte im Bereich Batterietechnologie und Powertrain Engineering ist, dass er das so gut beurteilen kann, und andererseits wie sich diese Effizienz quantifizieren lässt. Auf den ersten Aspekt kann ich keine Antwort liefern, aber auf den zweiten näherungsweise, indem ich Tesla an den eigenen Ankündigungen wie Ergebnissen bemesse.
Dabei sollte zunächst bedacht werden, dass die Ankündigung eines Produkts dem Entwicklungsbeginn nachfolgt und somit der Zeitpunkt, zu dem Tesla mit einem Produkt an die Öffentlichkeit tritt (blauer 1. Punkt), vorab schon für Kosten gesorgt hat und auch nachfolgend für Kosten sorgen wird. Auffällig ist, dass Tesla 2016-2017 mehrere große Ankündigungen gemacht hat. Namentlich das Solar Roof, auf das ich an anderer Stelle noch kommen werde, den Tesla-SEMI und den Roadster 2. Das Budget wurde im nachfolgenden Zeitraum nicht nur nicht erhöht, sondern sogar 2019 reduziert. Bei SEMI und Roadster liegt das Unternehmen mittlerweile 2-3 Jahre hinter dem Zeitplan. Innerhalb dieser Verzögerung hat Tesla mehrere neue Ankündigungen gemacht: Cybertruck, den Roboter Optimus und eine revolutionäre Batteriezelle, die 4680er Zelle. Der Cybertruck liegt dabei auch heute schon hinter dem Zeitplan und soll nicht vor Mitte 2023 vom Band laufen. Bei der 4680er-Zelle traten sowohl Musk als auch Baglino kürzlich auf die Bremse und sprachen von Problemen bei der Skalierbarkeit der Produktion. Auch hier liegt Tesla bereits ein Jahr hinter dem Zeitplan.

Nun ist ja durchaus eine Steigerung bei dem R&D-Budget zu sehen und das habe ich auch in meinem Artikel zu den Q1-2022 Zahlen wohlwollend zur Kenntnis genommen. Dennoch sollte hier beachtet werden, dass es sich um teilweise grundverschiedene Bereiche handelt, in denen Tesla bislang tätig war und die sie neu dazu genommen haben. Das Unternehmen ist im Bereich Software, Künstliche Intelligenz, Fahrzeugdesign, Entwicklung von Antriebssträngen, Batterietechnologie, Solarzellen, Computer-Hardware und Robotik tätig. Allgemein hat Tesla den Anspruch möglichst viel selbst zu entwickeln, was ihnen ohne Frage in der Vergangenheit gut gelungen ist. Für mich ist es sehr zweifelhaft, wie man mit diesem Ansatz und diesem Budget in der Zukunft Erfolge erzielen will. Was beim Blick auf die absoluten Zahlen des Budgets nicht vergessen gehen sollte, ist die Lohninflation, die sich gerade in Teslas Entwicklungsbereichen besonders bemerkbar gemacht hat.
Nur nochmal zur Erinnerung. Volkswagen, Ford etc. sind nur im Fahrzeuggeschäft tätig, haben keine Nebenschauplätze und abseits des Software- Bereichs nicht den Anspruch möglichst viele Einzelteile selbst zu entwickeln. Selbst bei den Batteriezellen verlassen sie sich zum größten Teil auf die Forschungsergebnisse ihrer Zulieferer. Letztere stecken ihrerseits hohe dreistellige Millionenbeträge in diesen einzelnen Bereich. Allein Samsung SDI brachte es zuletzt auf 0,7 Milliarden Dollar R&D-Budget (Disclosure: Ich bin in Samsung SDI investiert).
Es erschiene mir sinnlos an dieser Stelle die Forschungsbudgets von Alphabet, Meta etc. für die Entwicklung künstlicher Intelligenz im Detail zu vergleichen, da ich nicht beurteilen kann inwiefern sich die Ansätze überschneiden, aber dem letzten Earnings Call von Alphabet konnten wir entnehmen, dass CEO Sundir Pichai eben diesen Punkt, künstliche Intelligenz, als gewichtigsten betrachtet. In den letzten 12 Monaten gab Alphabet 36 Milliarden Dollar für Forschung & Entwicklung aus (Disclosure: Ich bin in Alphabet investiert). Musk sagte im Q1-Call, das sie an einer ‘echten’ KI arbeiten. Etwas, das bislang niemand bewerkstelligen konnte. Ich frage mich ernsthaft wie das vergleichsweise geringe Budget von Tesla, das zudem für viele verschiedene Bereiche genutzt wird, das bewerkstelligen soll, was andere Unternehmen mit dem vielfachen Budget bislang nicht bewerkstelligen konnten.
Eben das ist wohl nur in dem Glauben an die Effizienz von Teslas Forschungsteam möglich, aber wie kann ein Unternehmen als effizient bezeichnet werden, das fortwährend hinter den Zeitplänen liegt? Allein das FSD ist mittlerweile ein Running Gag geworden, weil Musk in wortwörtlich jedem Call sagt, dass FSD sei “next year” oder “this year” fertiggestellt. Auch auf diesen Punkt komme ich an anderer Stelle nochmal im Detail zurück.
Immer wenn ich den Verweis auf die lange überschrittenen Zeitpläne bringe, erhalte ich noch einen anderen Einwand von Tesla-Investierten. Tesla könnte gerade SEMI, Roadster 2 und Cybertruck auf den Markt bringen, aber sie seien ja bereits mit den bestehenden Modellen voll ausgelastet und verbauen jede Batteriezelle, die sie kriegen können. Wenn das der Grund ist warum die Produktion hinausgezögert wird, wie redlich ist es dann seit 5 Jahren Reservierungsgebühren mit falschen Lieferversprechen für Roadster 2 und SEMI zu nehmen und seit 2019 für den Cybertruck. ‘Das’ ist die einzig alternative Erklärung dazu, dass Tesla schlicht nicht dazu in der Lage ist, die ursprünglich angekündigten Modelle mit der entsprechenden Leistung und zum entsprechenden Preis, in Masse auf den Markt zu bringen und das möglicherweise niemals. Selbst wenn Tesla/Musk bei SEMI und Roadster 2 wieder “zu optimistisch” waren und die die zukünftige Batterieversorgung anders eingeschätzt haben: Wie redlich ist es dann noch zu dem Zeitpunkt, zu dem sie Roadster 2 und SEMI schon mehrfach verschoben haben, noch den Cybertruck neu vorzustellen und auch dafür Bestellungen entgegenzunehmen. Hier gehen entweder auf die eine oder andere Art die Ausreden aus. ‘Das’ kann man sich nicht mehr schönreden.
Zwischenzeitig wurde die Bestellmöglichkeit übrigens bei verschiedenen Modellen einige Male unterbrochen bzw. vorerst gestoppt. Selbst wenn das Argument valide wäre, dann würde es weder eine Erklärung für die Verzögerung der 4680er Zelle noch beim FSD liefern.
Da ich Tesla auch keine ‘extrem’ böswillige Absicht unterstellen will, gehe ich tatsächlich davon aus, dass ihnen die Entwicklung über den Kopf gewachsen ist. Hier zum Beispiel nochmal zur Erinnerung was für den SEMI angekündigt wurde, für den nebenbei bemerkt 20.000 US-Dollar Reservierungsgebühr fällig waren:
Auch bei den anderen Modellen werden entsprechende Reservierungsgebühren fällig. Die entsprechende Position in Teslas Balance Sheet wird auch fortwährend größer und ist im Ergebnis ein zinsfreier Kredit der Kundinnen und Kunden. Das nur mal zur Klarstellung, ohne dies weiter werten zu wollen.
Ich selbst halte Tesla für außergewöhnlich und habe in meinem positiven Artikel bereits angemerkt, dass das Unternehmen viele junge Talente anziehen kann, die Tesla als Wunscharbeitgeber in Umfragen nennen. Manchmal reichen einzelne, fähige Personen aus, um Erfolge zu erzielen. Unternehmen, die diese Personen anziehen können, haben einen nicht zu unterschätzenden Vorteil, der schwerer wiegt als das reine Forschungsbudget. Am Ende will jede/r dennoch für seine Arbeit bezahlt werden und es gibt handfeste Kosten für Materialen, Tests etc., an denen kein Unternehmen vorbeikommt. Das zeigen unter anderem die Eröffnungskosten für die Fabrik in Berlin.
Die jahrelangen Verzögerungen sind für mich jedenfalls ein handfestes Indiz dafür, dass Tesla zugunsten kurz- bis mittelfristiger Zahlen, die R&D-Ausgaben zu niedrig ansetzt oder sich durch den Druck von außen dazu genötigt sah Produkte der Öffentlichkeit vorzustellen, die noch weit von der Marktreife entfernt waren. Wer sich selbst erlaubt die Verzögerungen durch ein ‘Nicht-Veröffentlichen-Wollen’ seitens Tesla zu interpretieren, sollte mir das gleiche Recht zur Interpretation gestatten. Was wir abseits dessen ‘mindestens’ als Erkenntnis mitnehmen dürfen ist, dass die Konkurrenten aus der Automobilbranche durchaus dazu bereit sind ihre entsprechenden Budgets zu erhöhen, um den Kampf mit Tesla aufzunehmen.
Interessenskonflikte
Eigentlich bedarf es der Problematik eines Interessenskonflikts keiner weiteren Erklärung mehr. Wie soll man zum Wohle zweier oder mehrerer Unternehmen gleichzeitig arbeiten, die untereinander Geschäfte machen? Wie soll man zum Wohle eines Unternehmens arbeiten, wenn nahestehende Personen gleichzeitig von dem eines anderen abhängig sind. Unternehmen, die über solche Interessenskonflikte hinwegschauen sind bei mir ebenfalls Tabu. Bei Tesla und Musk gehören diese Interessenskonflikte quasi zur DNA. Für den ersten Teilpunkt müssen wir uns etwas mehr Zeit nehmen, da er sehr komplex ist, aber auch ein Paradebeispiel dafür, was Interessenskonflikte verursachen können.
Der SolarCity-Deal
Vielen wird es bekannt sein, aber tatsächlich gehörten Solarzellen nicht von Beginn an zu Teslas Produktsortiment. Das ab 2012 börsennotierte Unternehmen SolarCity wurde von Elon Musk Cousins Peter und Lyndon Rive gegründet, welche als CFO und CEO fungierten, während Musk selbst Chairman war. SolarCity war ein klassischer Solar-Installateur mit einem Unterschied. Kunden konnten die Solaranlagen bei Bedarf leasen und mussten nur für die Energie bezahlen, die von den Anlagen generiert wurde. Manchen Kunden war es so möglich sogar weniger als zuvor für Strom zu bezahlen. Die entsprechenden Solaranlagen, die größtenteils nicht etwa selbst hergestellt, sondern bei externen Zulieferern eingekauft wurden, finanzierte SolarCity anstatt der Kunden mit Krediten. Klingt nach einem sehr simplen Geschäftsmodell? Das war es auch. Es war weniger ein Technologie-, sondern viel mehr ein Handwerks-Unternehmen kombiniert mit einer nicht sonderlich gut aufgestellten Bank.

Wenig überraschend hatte SolarCity einen immer größer werdenden Kapitalbedarf, um die neuen Installationen zu decken, da die Cash Flows aus den bestehenden Installationen längst nicht ausreichten, um die neuen Assets zu finanzieren. Ab 2014 begann das Unternehmen dann die sogenannten Solar Bonds auszugeben, die auf Privatanleger abzielten und ihnen Zinsen über dem Marktzins versprachen. Das Asset mit dem diese Bonds besichert wurden, waren die zuvor beschriebenen solar leases der Kundinnen und Kunden. Man erlaube mir die Bemerkung, dass derartige Angebote in der Geschichte meist ‘kein’ gutes Zeichen hinsichtlich der finanziellen Stabilität eines Unternehmens waren.

Die Seite war für Privatanleger ‘gedacht’, jedoch hatte plötzlich ein anderes ‘Unternehmen’ Interesse an den Bonds. SpaceX, das Raumfahrtunternehmen, dessen Gründer und größter Anteilseigner Elon Musk war, kaufte im ersten Quartal 2015 die Bonds des Unternehmens, dessen größter Aktionär und Chairman ebenfalls Elon Musk war. Ein Interessenskonflikt wie er im Buche steht. Wenig später kaufte SpaceX Bonds für weitere 75 Millionen. Dann erneut Bonds für 90 Millionen US-Dollar. Space X kaufte übrigens jeweils den Löwenanteil der offerierten Finanzierungsrunden. In der letzten zum Beispiel 90 von 105 Millionen. Mit diesen wurden dann wiederum die ersten von SpaceX gekauften Bonds zurückgezahlt, die von Musk als “excellent investment” bezeichnet wurden. Das Argument seitens der Unternehmen war, dass SolarCity eine vergleichsweise günstige Finanzierung bekommt, während SpaceX einen vergleichsweise hohen Zins auf nicht genutzte Cashbestände erhält. Ein Unternehmen finanzierte also das andere und bei beiden war der größte Aktionär die gleiche Person. Ganz ehrlich: Wenn ich derartiges bei einem meiner Unternehmen lesen würde, würde ich schnell den Weg zum Ausgang suchen.
Insgesamt wurden 255 Millionen Investorengelder von SpaceX in die Bonds gesteckt, die im Nachrang gegenüber allen anderen Schulden von SolarCity standen. Nun, nicht nur Investorengelder. SpaceX hatte zuvor mehrere Zahlungen seitens der NASA erhalten, um den den Crew Dragon zu finanzieren, der amerikanische Astronauten zu der ISS transportieren sollte. Gleichzeitig kaufte Musk selbst für 75 Millionen Bonds und seine Cousins für 38 Millionen. Musk kaufte zudem SolarCity-Aktien. Die Bond- und Aktienkäufe finanzierte er mit einem Kredit, für den er was als Sicherheit angab? Seine SolarCity- und Tesla-Aktien. Das gleiche traf auf seine Cousins zu, die ebenfalls einen Margin Call zu befürchten hatten. Zudem noch auf seinen Bruder Kimbal Musk, der ebenfalls eine erhebliche Anzahl von SolarCity-Aktien besaß, die er für einen Kredit verpfändet hatte. Wären die Aktien von Tesla und/oder SolarCity gefallen, wäre eine Abwärtsspirale aus immer tieferen Kursen in Gang gesetzt worden. Wie viel offensichtlicher kann ein Interessenskonflikt sein. Davon abgesehen, dass es Bände über den damaligen Zustand von SolarCity spricht, wenn die Executives selbst die Bonds kaufen mussten.
2016 wurde dann schließlich SolarCity von Tesla in einem Deal übernommen, den Musk selbst als “No-Brainer” bezeichnete. 2,8 Milliarden Dollar zahlte Tesla für die Übernahme, also einen Aufpreis von 20-30% auf den damaligen Börsenpreis. Wohl gemerkt nicht in Cash, sondern in Tesla-Aktien. Spannend ist jedoch in erster Linie, was zuvor intern in dem Unternehmen an Kommunikation stattfand.
Nachdem Musk seinem Cousin und CEO Rive die Idee der Übernahme erstmals präsentierte, ließ er am 29. Februar ein Tesla Board-Meeting stattfinden, um die potentielle Übernahme zu diskutieren. Das Board lehnte die Idee jedoch zunächst ab. Tesla hatte bekanntermaßen selbst zu diesem Zeitpunkt erhebliche Probleme, wie Musk in einer Befragung durch die Gegenseite im SolarCity-lawsuit später zugab. Die Produktion des Model 3 gestaltete sich schwerer als erwartet.
Die Zustimmung zog sich also hin. Wie groß die Verzweiflung in der Chefetage von SolarCity zwischenzeitig gewesen sein muss, zeigt eine Mail von CEO Rive, die für Musk bestimmt war. Vorweg der Hinweis: Ich werde mich im nachfolgenden häufiger auf interne Dokumente beziehen, die Teil der Befragungen und Gerichtsverhandlung waren. Danke dem FOIA in den USA sind diese theoretisch für jeden zugänglich und wurden mehrfach ins Netz gestellt.
Was sagt Rive in der Mail vom Juli also? Offenbar war SolarCity kurz vor dem Zusammenbruch. Etwas, das Musk bis heute öffentlich bestreitet, obwohl er als Teil des Board bereits Anfang Februar über die drohende Zahlungsunfähigkeit informiert wurde. Für ein bankähnliches Konstrukt sind Schulden kein Problem, aber durchaus, wenn die Zahlungen aus den Forderungen irgendwann nicht mehr ausreichen, um die aus den Verbindlichkeiten zu decken. Eben das stand laut Rive kurz bevor und genau genommen sah das nicht nur er so. Die Wirtschaftsprüfer von EY bescheinigten im Nachhinein, dass SolarCity nicht genügend Cash gehabt hätte, um seine Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen und de facto insolvent war als es übernommen wurde.
SolarCity war von Beginn an bis zur Übernahme durch Tesla Cash Flow negativ und eben das ist langfristig für eine Bank fatal. Weiterhin machte Rive Druck in der Mail, um die Übernahme schnellstmöglich über die Bühne zu bringen. Klingt das wirklich noch nach einem “No-Brainer” für die Tesla-Aktionärinnen und Aktionäre? Musk brachte wohlgemerkt ‘nach’ dem Hinweis seitens der SolarCity Executives über die bevorstehende Pleite die Übernahme als Option auf den Tisch.
Kritik an einem möglichen Deal war damals übrigens keine Seltenheit. Sowohl in den Earnings Calls, in Zeitungen, Twitter als auch unter Investierten wurde vielfach diskutiert inwiefern man über den Interessenskonflikt hinwegsehen könne und die Synergieeffekte, die Musk sehen wollte, wirklich da waren. Der Deal drohte tatsächlich zu scheitern. Gerade von den großen Outside-Investoren gab es für Musk augenscheinlich überraschenden Gegenwind.
So zum Beispiel von T-Rowe Price, die gegenüber dem damaligen SVP Investor Relations, Jeffrey Evanson, im September 2016 ihre Bedenken äußerten. Wenn man die Details der geäußerten Bedenken von T Rowe liest, wird deutlich wie überrascht sie davon waren, dass das Thema-Übernahme weiter diskutiert wird. Zudem, dass sie momentan sehr klar geschlossen gegen den Deal sind.
Aus dem weiteren Verlauf der Mail von Evanson wird deutlich was aus Sicht von T Rowe die Problematik war. Sie hatten erhebliche Zweifel an der “technischen Innovation”, die Musk als Gamechanger verstanden wissen wollte. Zudem empfanden sie es als Schlag in die Magengrube, dass sie wenige Tage nach Kapitalerhöhung von Tesla am 18. Mai 2016 darüber erfahren, dass eine weitere Verwässerung ihrer Anteile geplant ist. Wer könnte ‘das’ nicht verstehen? Zusätzlich machten sie sich Sorgen über den finanziellen Zustand der verschmolzenen Unternehmen.
Wie sehr sich Musk schon zuvor Sorgen um den Deal machte wird in der Mail vom Juli bemerkbar. Er wollte den Deal mit einer “supermajority” von außenstehenden Investoren über die Bühne bringen und machte sich Sorgen wer von diesen auf seiner Seite steht. Spannend ist dann was wenige Wochen vor der Zustimmung der Tesla-Investierten zur Übernahme geschah.
Elon Musk präsentierte am Filmset von “Desperate Housewives” die Innovation, der unter anderem T Rowe so skeptisch gegenüber stand. Das seitdem viel diskutierte Solar Roof. Ein Produkt das nach Aussage von Musk besser aussieht, länger hält und zudem noch günstiger sein soll als ein normales Dach mit Solarzellen. Ein Konzept, das übrigens alles andere als neu war, aber dessen unwirtschaftliche Nutzung mehrfach festgestellt wurde.
Musk sagte wortwörtlich, dass alle Häuser um die applaudierende Menge herum “solar houses” sind. Am Ende der Präsentation wurde dann noch darauf hingewiesen, dass dieses Dach ab jetzt bestellt werden könne. Angesichts dessen würde doch jeder Zuhörende davon ausgehen, dass die Technologie funktioniert und echte Solarzellen auf den Dächern liegen, richtig? Nun, das war jedoch nicht der Fall und die Skepsis von T Rowe Price war offenbar begründet.
In der Befragung rund um den SolarCity-lawsuit wird deutlich wie unfassbar weit das Produkt von der Marktreife entfernt war und wie unverantwortlich die Aussagen über die angebliche Leistungsfähigkeit seitens Musk waren. Musk sagt hier ganz offen, dass es zum Zeitpunkt der Präsentation nicht mal einen funktionierenden Prototyp gab, geschweige denn die Tauglichkeit zur Massenproduktion überprüft wurde. Erst zu Beginn von 2017 gab es einen funktionierenden Prototyp, in Q2 kam es zur Pilotproduktion. Wie kann er also Monate zuvor von “Solarzellen” auf den Dächern reden, obwohl es Dummies waren, geschweige denn Bestellungen mitsamt 1.000 Dollar Reservierungsgebühr für ein nicht existierendes Produkt entgegennehmen? Wie konnte Musk behaupten, dass es im Vergleich günstiger und widerstandsfähiger als ein normales Dach mit Solarzellen ist? Wie konnte er die ersten Installationen für 2017 zumindest in Aussicht stellen?
Aus den internen Mails geht ebenfalls hervor, dass Musk in den Tagen davor darauf gedrängt hatte die Präsentation vorzuziehen. Ich denke auf Basis aller vorliegenden Informationen ist es zulässig zu vermuten, dass hier ein klares Kalkül von Musk hinter der Präsentation stand. Schließlich stellte gerade T Rowe Price die Zustimmung zur Übernahme in direkten Kontext zu der Innovation, die Musk versprach, obwohl es sie offenbar gar nicht gab. Die letzten Zweifler sollten überzeugt und so kam es dann auch. Die Übernahme von SolarCity wurde mit 85% der Stimmen im November 2016 beschlossen. Was dabei nicht vergessen gehen sollte: Das Solar Roof bleibt bis heute hinter den Ankündigungen zurück und ist mitnichten günstiger als ein normales Dach mit gewöhnlicher Solaranlage.
Was folgte waren mehrere Klagen von Investierten, die Musk unterstellten er habe das Board dergestalt kontrolliert, dass er die Zustimmung unter Druck bekam, um sich und seine Cousins vor der drohenden Pleite zu bewahren. Die Board-Mitglieder entgingen der Gerichtsverhandlung mit einem Vergleich, Musk stellte sich dem Verfahren und gewann. Dazu ein Zitat des vorsitzenden Richters:
Elon was more involved in the process than a conflicted fiduciary should be. And conflicts among other Tesla Board members were not completely neutralized. With that said, the Tesla Board meaningfully vetted the Acquisition, and Elon did not stand in its way
Vice Chancellor Joseph R. Slights
Und an diesem Punkt muss ich in Teilen zustimmen. Zu sagen, dass Musk aktiv Druck auf das Board ausgeübt hätte, wäre etwas für das es keine Beweise gibt. Was das Board bei seiner Entscheidung abgewogen hat, ist für mich fraglich, da sie ein Unternehmen übernahmen, dass nach Aussage des CEOs kurz vor der Zahlungsunfähigkeit war. Gleichzeitig sagt der Richter, dass es Interessenskonflikte gab und Musk mehr in den Entscheidungsprozess involviert war als es in seiner speziellen Situation gut gewesen wäre.
Dahingehend zielt aber auch nicht meine Kritik. Meine Kritik zielt wie bereits erwähnt auf die unredliche Kommunikation was das Solar Roof anging und dass Musk ein de facto bankrottes Unternehmen den Tesla-Investierten ans Bein band. Über die Gründe dafür darf jeder selbst spekulieren. Dass die Übernahme eines Unternehmens, dessen Eigentümer er selbst und seine Verwandten waren, problematisch ist, liegt jedoch auf der Hand.
Direkt nach der Übernahme gingen die Solar-Installationen jedenfalls steil bergab und Tesla zog Personal von SolarCity ab und wies sie der Model 3-Produktion zu. Selbst das Verkaufspersonal von SolarCity wurde dem Service zugewiesen. Ein Jahr danach wurden eine Vielzahl von SolarCity-Filialen geschlossen und Personal entlassen. Die Solar-Installationen erreichten einen neuen Tiefpunkt, von dem sie sich 4 Jahre nicht erholen sollten und anstatt dessen immer weiter abrutschten.

Bis heute hat die Sparte damit zu kämpfen allein nur eine positive ‘Brutto’marge zu erzielen. Der gesamte SolarCity-Fall zeigt mir warum ich nicht in ein Unternehmen investieren will, bei dem Musk an der Spitze steht oder Kontrolle ausüben kann. Er zeigt meinem Empfinden nach, dass er jederzeit ein Unternehmen aufs Spiel setzen würde und zur Irreführung von Investierten und Kundinnen und Kunden bereit ist, um ein anderes Unternehmen aus seinem Firmenimperium überleben zu lassen. Und wen er dies bereits einmal nachweislich gemacht hat, warum nicht noch einmal an anderer Stelle? Eben deswegen ist der gesamte Fall SolarCity auch aus heutiger Sicht so wichtig. Darüber, dass SolarCity pleite gegangen wäre, lässt sich allein schon durch die Aussagen des CEOs schwer streiten. Das gesamte Geschäftsmodell funktionierte wie ein Pyramidensystem, das immer neues Kapital brauchte, um neue Assets zu kaufen, dabei aber niemals einen positiven Cash Flow erzielte.
Ein schwaches Board mit vielen Überschneidungen
Warum lässt das Board, dessen Aufgabe es ist Schaden vom Unternehmen abzuwenden, solche Transaktionen zu. Auch hier kann man einerseits nur spekulieren, aber auch wieder klar Interessenskonflikte als Problem erkennen, das ein unabhängiges Agieren nahezu unmöglich macht. Werfen wir zunächst einen Blick auf das Board von SolarCity zum Zeitpunkt vor der Übernahme durch Tesla. Wie bereits thematisiert ist es denke ich eine offensichtlich schlechte Idee das Kontrollgremium von einem Verwandten des CEOs und CTOs führen zu lassen, der zugleich noch größer Anteilseigner des Unternehmens ist. Namentlich Elon Musk. Doch auch an anderer Stelle gab es Interessenskonflikte. Jeffrey B Straubel saß im Board von SolarCity, war aber auch gleichzeitig der CTO von Tesla.
Schauen wir auf das damalige Board von Tesla, fallen erneut Überschneidungen auf. Antonio Gracias war sowohl Board Director von Tesla als auch Solar City.
Des weiteren fällt auf, dass Elon Musks Bruder, Kimbal, Mitglied des Boards ist, der übrigens ebenfalls einen erheblichen Anteil (148.000) an SolarCity Aktien hatte, die er ebenfalls für einen Kredit verpfändet hatte. Aus den Befragungen des SolarCity Falls geht hervor wie groß die Sorgen bei Kimbal waren, dass er seinen Margin Call bekommt, der ohne die Übernahme de facto gekommen wäre. Selbst zu behaupten, dass gerade er keinen Interessenskonflikt hatte, ist meinem Empfinden nach mehr als dreist.
Um das Bild zu komplettieren müssten wir uns dann noch SpaceX betrachten, wobei das Unternehmen nicht öffentlich gelistet ist und daher keine ähnlichen Filings veröffentlicht. Aus Linkedin und der Unternehmenswebsite können wir jedoch Unternehmen, dass:
1. Antonio Gracias hier ebenfalls im Board of Directors saß und somit Director von Tesla, SpaceX und SolarCity zum Zeitpunkt des Deals war.
2. Kimbal Musk auch hier Teil des BOD war und somit zeitgleich Director von Tesla & SpaceX sowie Aktionär von SolarCity war.
Unfassbar was für eine Verflechtung das aus Doppel- und Dreifachrollen, Krediten unter den Unternehmen und Verwandtschaftsverhältnissen waren.
Nun könne man ja sagen, was interessiert mich die Vergangenheit. Wichtig ist es doch, dass heute keine Interessenskonflikte bestehen, aber Kimbal Musk ist nach wie vor Director bei SpaceX ‘und’ Tesla. Nach wie vor kommt es auch zu Geschäften unter den Unternehmen. Dazu gibt es noch einen Punkt, den ich nennen möchte, da in der Börsenhistorie meist kein gutes Zeichen war, da es einen impliziten Interessenskonflikt darstellt. Das Tesla Board ist eines der bestbezahlten Boards der USA und wird zu einem großen Teil in Aktien bezahlt. Robyn Denholm, momentaner Chair of the Board, war bereits 2018 die zweitbestbezahlte Board chair aller US-Unternehmen, wobei noch bedacht werden muss, dass Platz Eins an Dwight Schar ging, welcher der Gründer von NVR war. Damals war Tesla längst noch nicht der aufgehende Stern am Börsenfirmament. Wie soll ein Board-Mitglied das Unternehmen konfliktfrei kontrollieren, wenn es in diesem Maße finanziell von dem Unternehmen abhängig ist und vor allem von dem Aktienkurs des Unternehmens?
Im Übrigen hat sie wenig Interesse die Aktien von Tesla langfristig zu halten. Sie schmeißt ihre Aktien quasi dann auf den Markt, wenn sie zugeteilt werden, übt ihre Options aus, sobald es möglich ist.

Der gleiche Konflikt zwischen Aktienkurs und Kontrollfunktion traf und trifft auch jeweils auf die aktuellen Boardmember zu, die ebenfalls erhebliche Aktienoptionen als Bezahlung erhalten. Dazu sollte gesagt werden, dass diese Form der Vergütung gerade in den USA nicht ungewöhnlich ist. Ungewöhnlich ist aus meiner Sicht die Höhe der Vergütung.
Auch ein weiterer Punkt spricht gegen das Board, für den ich nochmal einen Aspekt aus meinem Artikel über die “7 Signs of Ethical Collapse” hervor hole:
Nach Jennings muss ein gutes Board unabhängig sein, aus externen Experten und CEOs bestehen und die Member sollten nicht zu lange im Board sitzen. Der Gedanke ist ja eben einen Kontrollmechanismus einzuführen und das ist dann am ehesten gewährleistet, wenn externe einen Blick auf die Kultur des Unternehmens werfen, weil sie eben weniger biased sind. Darüber hinaus sollten sie Keine Verträge oder sonstigen Geschäftsbeziehungen zu dem Unternehmen haben. Kompetenz in Finanzfragen oder der Industrie, in der sich das Unternehmen bewegt, sind zusätzliche Komponenten, die ein starkes Board auszeichnen.
Smitty Finance nach M. Jennings
Von den momentanen 7 Tesla Board-Mitgliedern sitzen ist einer der CEO des Unternehmens (Elon Musk), einer der Bruder des CEOs (Kimbal Musk), der zudem seit 14 Jahren im Board sitzt, Denholm sitzt seit 8 Jahren im Board. Ira Ehrenpreis ein früher institutioneller Investor in Tesla, ist seit mehr als 15 Jahren Teil des Tesla-Boards. Die restlichen Board-Mitglieder sind vergleichsweise neu im Board. Unter einem starken Board, das den CEO kontrollieren kann, stelle ich mir tatsächlich etwas anderes vor, wenngleich Tesla nicht alleine in den USA mit derlei Interessenskonflikten steht.
Überschneidungen zwischen Tesla, SpaceX und Boring Company
Wenn man die übrigen Interessenskonflikte zwischen den Musk-Unternehmen mit dem Solar-City-Fall vergleicht, sind es in Relation wenig mehr als Fußnoten. Space X kaufte im Wert von 1,7 Millionen Dollar Energiekomponenten sowie insgesamt 4,7 Millionen Fahrzeugkomponenten. Zudem noch weitere kleine Transaktionen. Ich kann verstehen, dass das kein riesiger Aufreger ist, aber grundsätzlich sollte nie vergessen gehen, dass es sich hier um zwei Unternehmen mit jeweils eigenen Shareholdern handelt. Bei solchen Transaktionen zieht eine Seite in der Regel den kürzeren. Bei SolarCity waren das im Ergebnis sehr deutlich die Tesla-Investierten.

Twitter-Übernahme
Ich gewinne durchaus häufiger den Eindruck, dass Musk sich schnell langweilt und neue Schlagzeilen machen will. Dass er dabei gegen die Interessen der Investierten handelt, scheint ihn nicht sonderlich zu interessieren. Da es ein laufendendes Verfahren ist möchte ich mich wenig zu dem Inhalt äußern, wenngleich ich eine sehr klar Meinung habe welche Seite sich hier geradezu stümperhaft angestellt hat. Irgendwann darf das gerne jemand genauso aufrollen wie den SolarCity-Fall.
Was wir jedoch mit Sicherheit sagen können ist, dass es bereits heute Auswirkungen auf Musks Anteile an Tesla hatte und somit auch auf den Aktienkurs. Vor wenigen Tagen verkaufte er Tesla-Anteile für 7 Milliarden Dollar, um sich für einen potentiellen Gerichtsentscheid, der ihn zur Übernahme zwingt, zu wappnen.
Derlei ‘Ablenkungen’ für Musk halte ich auch dauerhaft für möglich.
Fazit Interessenskonflikte
Wie ich bereits eingangs sagte: Die Problematik von Interessenskonflikten bedarf eigentlich keiner Erklärung, aber der Fall SolarCity zeigt exemplarisch welche Auswirkungen diese Konflikte haben können, aber auch wie weit Musk geht, um einen Teil seines Firmenimperiums zu retten. Meine Sorge ist zu groß, dass ich irgendwann mal Teil des ‘falschen’ Unternehmens sein könnte, das Musk zugunsten von einem anderen opfert oder schlechter stellt. Ich weiß nicht zu sagen, ob SpaceX oder Tesla für Musk wichtiger ist, wobei ich auf ersteres tippe. Fakt ist für mich, dass Musk seine Unternehmen Risiken aussetzt, die nicht operativ begründet sind. Das Board weißt ihn dabei nie in seine Schranken, sondern lässt ihn gewähren. Auch wenn das gegen die Auflagen der SEC rund um den “Taking-Tesla-Private”-Vorfall verstößt. Eben daran störte sich die SEC, die erneut eine Untersuchung eingeleitet hat, um zu Überprüfen, ob das Board seinen vereinbarten Verpflichtungen nachkommt. Eben das konnten wir im aktuellen Quartalsbericht lesen:

Egal wie vielversprechend ein Investment auch erscheinen mag, werde ich niemals investieren, wenn bei mir alle Alarmglocken schrillen, was den Fokus des CEOs, Interessenskonflikte, mangelnde Kontrollen und bereits bewiesene Irreführungen der Investierten aus der Vergangenheit angeht.
Ein Mann, der nicht "immer abliefert"
Viele Tesla-Investierte suchen relativ häufig mit mir die Diskussion auf Twitter und dabei bin ich vor einer Weile mit einem Satz konfrontiert worden, der mich seitdem nicht mehr los lässt. Ich will den Gegenstand nicht vorweggreifen, daher sei nur gesagt ich hatte eine Reihe von Argumenten gegen den Erfolg von Tesla in einem bestimmten Feld genannt, woraufhin ich als Antwort folgendes erhielt:
“Entweder du vertraust Elon oder eben nicht.”
Ich war so perplex, dass ich das Gespräch dann nur noch höflich beendet habe, da sowieso jede weitere Diskussion zur Glaubensfrage verkommen wäre. Seitdem fiel mir auf wie oft derlei Sätze in den Diskussionen über Tesla fallen: “Musk liefert am Ende immer ab.” Davon abgesehen, dass es historisch belegt die denkbar schlechteste Idee ist einem CEO zu ‘vertrauen’ und in erster Linie wegen ihm in eine Aktie investiert zu sein, bin ich gerade zu fassungslos wie schlecht die Gedächtnisse bei manchen zu sein scheinen. Den eben ‘das’ ist ein wesentlicher Grund dafür, dass ich ‘nicht’ investiere. Die Erwartungen an Tesla sind hoch und fußen in erster Linie auf den Aussagen von Musk.
Es gibt meines Erachtens nach keinerlei Interpretationsspielraum dafür, dass Musk nicht “immer abliefert” und auf sein Wort tendenziell kein Verlass ist. Das kann ich nicht nur behaupten, sondern beweisen. Das macht Musk für mich in dieser Hinsicht einerseits zu dem denkbar schlechtesten Argument in die Aktie zu investieren und zudem sehe ich die Gefahr, dass aufgrund diverser Eskapaden von Musk die zur Zeit noch unterstützende öffentliche Meinung in erhebliche Kritik umschlagen könnte.
Ein Evergreen: Das Full-Self-Driving
Es gehört meinem Empfinden nach genauso zur Selbst- und Außenwahrnehmung von Tesla wie das Herstellen von Elektroautos: Das autonome Fahren. Es gibt bereits viele gut recherchierte Videos und Artikel zu diesem Thema und würde ich es ausführlich behandeln, würde der Artikel auf den doppelten Umfang anwachsen, daher gebe ich hier nur einen Abriss über den zeitlichen Ablauf und die Aussagen von Musk.
Musks erste Behauptungen über die Fähigkeiten gehen bis auf das Jahr 2014 zurück, in dem er behauptete, dass Teslas “next year” ungefähr 90% der Strecken, vor allem Highways, autonom zurücklegen können:
Bei diesem Punkt muss man sagen, dass er noch relativ wage und damit schwer argumentativ zu widerlegen ist. Doch bereits 2016 stellte Musk in Aussicht, dass ein Trip von einem Ende der USA bis ans andere ohne Eingriffe der Fahrerinnern und Fahrer “next year” möglich sein soll. Wie oft er seitdem die Behauptung vom autonomen Fahren “next year” wiederholt hat, wird in diesem Video deutlich:
All das untermauert er immer wieder mit sehr fragwürdigen Behauptungen wie 100-200% sicherer als ein menschlicher Fahrer. Wie kommt er zu dieser Einschätzung? Auf welche Daten beruft er sich? Es ist natürlich Interpretation meinerseits, aber eine naheliegende, wenn ich sage: Offenbar überlegt er sich diese Zahl in dem Moment, in dem er gefragt wird. Das allein zeugt für mich schon zu einem gewissen Grad von einem laxen Umgang mit Daten und der Kommunikation nach außen.
2016 verlor Tesla dann einen wichtigen Partner bei der Entwicklung des autonomen Fahrens. Das Unternehmen Mobileye, das selbst eine Lösung für das autonome Fahren entwickelt, war nach dem Tod eines Tesla-Fahrers, dessen Auto einen quer stehenden weißen Truck offenbar nicht von dem Himmel unterscheiden konnte, der Meinung, dass Tesla zu aggressiv bei den Behauptungen über die Möglichkeiten des Autopiloten sei. Die beiden Unternehmen gingen danach getrennte Wege.
2019 fand dann der so genannte Autonomy Day statt, bei dem Musk eine Reihe von Behauptungen aufstellte, die nicht nur aus heutiger Sicht vorsichtig gesagt ‘kritisch’ zu sehen sind. Bis zum Jahr 2020 sollen eine Million Tesla “Robotaxis” auf der Straße sein, sprich Teslas mit der Funktion ohne Fahrerin oder Fahrer Personen von A nach B zu fahren. Den Käufern eines Teslas stellte er zudem einen Bruttoertrag von 30.000 Dollar je Auto und Jahr durch das Anbieten dieses Taxidienstes in Aussicht:
Es kam für mich und viele andere weder aus damaliger noch heutiger Sicht überraschend, dass Ende 2020 keine Robotaxis auf den Straßen waren. Dennoch liegt der Verdacht nahe, dass durchaus einige Musk glaubten, wenn wir uns anschauen wie viele nach der Präsentation im April 2019 zu dem FSD-Paket griffen, das bereits damals einen hohen 4-stelligen Betrag kostete.

Doch damit nicht genug. Mit dem in Aussicht stellen dieses technischen Meilensteins wurden zeitgleich eine Kapitalerhöhung von über 2 Milliarden durchgeführt. Nennt mich gerne altmodisch, aber ich habe durchaus ein Problem damit, wenn Kapitalerhöhungen in großspurige oder gerne auch “überoptimistische” Versprechen für die Investierten eingepackt werden.
Viele, die das Full Self-Driving ausprobiert haben, werden nun einwenden, dass die Fortschritte aber doch zu sehen sind und Tesla hier offenbar auf einem guten Weg ist. So zum Beispiel bei der neuen Beta 10.69, die gerade während ich diese Zeilen schreibe, veröffentlich wurde. Ein bekannter Tesla-Nutzer hatte dazu direkt ein Video erstellt:
2017 habe ich mich auch von einem von Tesla selbst erstellten Video ‘einlullen’ lassen, da mir damals noch nicht in Gänze klar war, wie die technische Tragweite des gesamten Unterfangens “Autonomes Fahren” war. Es reicht nun mal nicht aus, dass ein Auto in 99% der Fälle autonom fährt. Dass was ein Fahrassistenz-System von richtigem autonomen Fahren unterscheidet, sind die restlichen 1%. Zu beinahe jedem Unternehmen, das in diesem Sektor tätig ist, gibt es ein Video, das genauso effizient oder sogar effizienter durch den Stadtverkehr fährt. So zum Beispiel die Alphabet-Tochter Waymo:
Waymo hat tatsächlich bereits in einzelnen Regionen einen autonomen Taxidienst, der via App und ohne Sicherheitsfahrer im Fahrersitz genutzt werden kann. Doch das Unternehmen sagt selbst, dass sie noch längst nicht am Ziel sind und es noch viele Jahre dauern wird, bis die Technologie so weit ist, dass sie den lokalen Taxidienst auch in anderen Regionen ausrollen können. Eben das soll Teslas Ansatz aber zumindest in der Theorie von den Konkurrenten unterscheiden. Kein Geofencing. Erst vor wenigen Tagen wurden aber wieder unter großer öffentlicher Beachtung die noch groben Probleme offenbar, die auch immer wieder in den Videos von Tesla-Nutzerinnen und Nutzern zu sehen sind:
Der Tesla-Nutzer, dessen Video ich verlinkt hatte, hat dann versucht den Fehler nachzustellen und tatsächlich konnte auch sein Auto eine solche Puppe nicht erkennen, obwohl er erst nicht daran glauben wollte. Ein echtes Kind habe sein Auto aber erkennen können. Abseits dessen, dass ich ungern höre, wenn Betatests (ich habe das Video gesehen) an echten Kindern durchgeführt werden, kann es nicht im Sinne der Erfinder sein, dass das Auto gegen stehende Objekte fährt. Ich habe mir vorgenommen nicht zu tief in ethische Fragen in diesem Zusammenhang abzutauchen, da ich nur möglichst konsensfähige Punkte nennen wollte. Allgemein sehe ich es jedoch kritisch, dass Tesla mit reißerischen Aussagen von Elon Musk über die Fähigkeiten des Full-Self-Drivings, einen breitflächigen Betatest im öffentlichen Straßenverkehr mit nicht geschulten Personen und ohne direkte Überwachung durchführt.
Wie können wir aber jetzt ‘möglichst’ objektiv feststellen welches System das aktuell beste ist. Spoiler: Gar nicht. Obwohl es tatsächlich die theoretische Möglichkeit gäbe, wenn Tesla sich dazu bereit erklären würde. Das California DMV beaufsichtigt nämlich ein Programm und vergibt Lizenzen an Unternehmen, die autonome Systeme auf Kaliforniens Straßen testen wollen. Die teilnehmenden Unternehmen, unter anderem Baidu, Waymo und Cruise, müssen dafür jeden Unfall melden, aber auch immer wenn das System ausfällt bzw. ein menschlicher Fahrer übernehmen muss. Die so genannten Disengagements. Wir müssen nicht so tun als würde daraus jetzt eine 100%-Objektivität zwecks Beurteilung der Fähigkeiten der einzelnen Teilnehmer hergestellt werden, aber es ist meines Wissens nach das am besten geeignete Verfahren in dieser Hinsicht.
Die Seite thelastdriverlicenseholder.com von Dr. Mario Herger, der auch ein Buch zu dieser Thematik veröffentlichte, reportet jährlich die Entwicklungen bei diesem Programm und tatsächlich nahm auch Tesla ab 2016 an dem Programm des DMV teil:

Damals stach Tesla damals sehr negativ gegenüber den großen Konkurrenten Waymo und Cruise hervor, die bei einer viel höheren Anzahl von gefahrenen Meilen, deutlich weniger Disengagements je Meile hatten. Im Jahr darauf reportete Tesla keine Meilen, im Jahr 2019 ganze 13 Meilen mit 0 Disengagements, die Herger dann tatsächlich so irrelevant erschienen, das er Tesla aus der Übersicht entfernte. Danach wurden von Tesla nie wieder Meilen reportet.
Im Report von 2021 stachen dann mehrere Unternehmen positiv hervor. Dazu noch der Hinweis, dass Waymo und Cruise deutlich mehr Meilen reportet hatten als die übrigen Teilnehmer. Grundsätzlich zeigt das aber doch ganz gut die Verhältnisse. Selbst das Mittelfeld der Teilnehmer bringt es auf über 1.000 Meilen ohne Eingriff. Das verdeutlicht, wie irrelevant Videos von einer halben Stunde Länge mit wenigen Meilen Fahrtweg sind. Der Unterschied zwischen den anderen Unternehmen und Tesla ist schlicht, dass Tesla jede Entwicklung in Form einer neuen Beta auf die am Programm teilnehmenden Personen loslässt. Mangels Vergleichbarkeit entsteht dann der Eindruck der technischen Überlegenheit, da die Konkurrenten nur ihre bereits erprobten Systeme vertreiben, die jedoch nicht den technischen Entwicklungsstand abbilden, der jedoch für einen Vergleich relevant ist.

Tesla veröffentlich zwar hin und wieder Daten, namentlich den Tesla Vehicle Safety Report, aber leider keine vergleichbar aussagekräftigen. Eben das merkte auch im Earnings Call zu den Q1-Zahlen ein Tesla-Investor an, der offenbar mit einem Augenzwinkern darauf hinwies, dass die bisherigen FSD Prognosen nicht mit einer “optimal accuracy” getroffen wurden. Ob es Daten gäbe, die den Fortschritt dokumentieren. Zum Beispiel die disengagements per mile. Musk antwortete darauf, dass er noch nie bei einer Technologie so viele augenscheinliche Durchbrüche gesehen habe, die dann doch keine waren. Um FSD zu bewerkstelligen müsse man eben eine echte künstliche Intelligenz erschaffen, was noch keinem gelungen ist. „And I think we will achieve that this year. „Das werde man dieses Jahr erreichen, so seine Aussage. Man soll am besten dem Betaprogramm für das FSD teilnehmen, um den Fortschritt zu sehen. Man soll also 10.000,- USD in den USA zahlen, um sich selbst ein Bild zu machen, anstatt dass Tesla die Ergebnisse seiner vorliegenden Daten teilt? Tesla ist doch sonst immer so großzügig mit Schaubildern und seinen Leistungen gegenüber anderen.
Dass der Quasi-Architekt des FSD dann auch noch jüngst das Unternehmen verlies, erscheint mir auch alles andere als ein gutes Zeichen zu sein. Man kann sich auch nicht alles schönreden. Jahrelang wurde mir Karpathy als ‘das’ Argument dafür genannt, dass Tesla als erstes das autonome Fahren entwickeln würde und jetzt ist der Weggang ein ‘Non-Event’. Ich finde es ist hier durchaus zulässig die Lücken mit Plausibilität zu füllen. Wenn das FSD so kurz vor der Fertigstellung steht, wie wahrscheinlich ist es da, dass das Gesicht dieses historischen Meilensteins das Unternehmen verlässt und die Lorbeeren einem anderen überlässt? Musk sagte auch selbst, dass er ‘denke’ Karpathy wolle mehr auf einem akademischen Level zur AI-Entwicklung beitragen. Er ‘denkt’ es? Haben Sie nicht über die Gründe gesprochen? Ich gehe jedenfalls nicht davon aus, dass wir dieses Jahr noch große Entwicklungen in dem Bereich sehen werden.
Die technischen Unterschiede der Systeme, insbesondere ob LIDAR benötigt wird oder nicht, lasse ich hier bewusst weg, da ich nicht aus der Branche komme und mir daher auch kein Urteil erlauben möchte.
Hyperloop
Ich werde beim Thema Hyperloop ebenfalls nicht den Fehler machen, inhaltlich wissenschaftlich in die Thematik einzusteigen, aber das White paper von Elon Musk wurde bereits mehrfach von verschiedenen Experten zerpflückt.
Fakt ist, dass kein Hyperloop gebaut wurde und es offenbar auch zu keinen Tests eines Transportsystems im Vakuum kam. Davon abgesehen, dass ein Sprecher des Weißen Hauses Musk Aussage danach widersprach und meinte, dass Musk dort offenbar etwas missverstanden hätte. Es gäbe keine Genehmigung. Die Nachricht ging trotzdem um den Globus “Musk baut Hyperloop”. Ob dahinter eine Absicht von Musk stand, können wir natürlich wissen, aber meinem Empfinden nach häufen sich Vorfälle dieser Art schockierend oft.
So unkompliziert wie vor 7 (!) Jahren beschrieben scheint der Fall dann auch nicht zu sein.
Jetzt mag manch einer sagen, dass er doch jedes Jahr extra ein Event von SpaceX veranstaltet wird, bei dem Studentinnen und Studenten von verschiedenen Unis gegeneinander antreten. Die “Hyperloop Pod Competition”:
Und eben über dieses Event wird unkritisch berichtet so als ob es tatsächlich noch irgendetwas mit dem Konzept “Hyperloop” zu tun hat. Und guess what, das hat es nicht. De facto fahren hier keine Züge oder anderen Gefährte mittels Vakuum von A nach B, sondern kleine von Studierenden gebaute Elektroautos in einer einfachen Röhre ohne Vakuum. Das hat nichts, aber auch gar nichts mit dem von Musk selbst verfassten White Paper zu tun.
Bei näherem Interesse hinsichtlich dieser Thematik und vor allem den Schwierigkeiten lege ich euch das Video von Thunderf00t ans Herz:
Las Vegas Tunnel
Wir bleiben in Röhren und wenden unseren Blick zum Las Vegas Tunnel. Dieser war der erste Auftrag für Musk “Boring Company” im Wert von 48,6 Millionen Euro. Dass er am Ende 55 Millionen Euro kostete, ist nur ein Nebenschauplatz. In den Anforderungen wurde vereinbart, dass die Boring Co. für das Las Vegas Convention Center ein autonomes Transportsystem entwickeln soll, das im Schnitt 4400 Personen pro Stunde transportiert. Was die Entscheidungsträger mutmaßlich zumindest der Funktion nach erwarteten, war das, was Musk ein Jahr zuvor auf Twitter zeigte:
Was Musks Firma am Ende ablieferte, hatte jedoch wenig bis nichts mit den Anforderungen zu tun. Anstatt vollautonomer Fahrzeuge, fahren Teslas mit Fahrern durch einen einfachen kleinen Tunnel. Das System ist auch längst nicht dazu in der Lage die in Aussicht gestellten 4.400 Passagiere zu transportieren, sondern liegt je nach Schätzung und Berechnung zwischen 800 und 2000. Was ich mich alldem am meisten Frage: Wenn es Teslas nicht möglich ist in einem Tunnel mit einer Fahrbahn autonom Personen von wortwörtlich einem Punkt an den anderen zu bringen, warum sollten wir davon ausgehen, dass es bald einen globales Taxinetzwerk mit Teslas gibt? Was Musk Unternehmen hier am Ende abgeliefert hat, ist ein in doppelter Hinsicht unterirdischer Taxidienst.
‘Das’ wortwörtlich mit der Zukunft des Stadtverkehrs in Verbindung zu bringen, ist gerade zu lächerlich. Das würde auch dann gelten, wenn die Realität 1 zu 1 seinem auf Twitter Video entsprechen würde. Es gibt bereits Lösungen für Verkehrsprobleme in Städten und das ist der öffentliche Personennahverkehr, der in der Kapazität ausgebaut werden muss, anstatt einzelne Kleinstgefährte und Teslas durch Tunnel zu schleusen. Musk sieht das offenbar anders, wie er auf einer Bühne in Long Beach zum Besten gab. Hier gewinne ich den Eindruck, dass es Musk hin und wieder nicht um das Lösen von Problemen geht, sondern um das Lösen von Problemen auf seine Weise. Egal ob es nun funktioniert oder nicht. Auf diese Art den Nahverkehr zu framen ist auf jeden Fall sehr bedenklich und sagt mehr über Musk aus als über Bus und Bahn.
“That’s why everyone doesn’t like it. And there’s like a bunch of random strangers, one of who might be a serial killer, OK, great. And so that’s why people like individualized transport, that goes where you want, when you want."
Elon Musk
Und Musk wäre natürlich nicht Musk, wenn er nicht noch suggerieren würde, dass er wieder mal ein Business disruptieren könnte. Er suggeriert immer, dass er jedes Geschäftsfeld auf den Kopf stellen kann. Dass alle anderen blind sind und ihr Geschäft eigentlich gar nicht richtig begreifen. So auch das Tunnelbohrbusiness, wenn man die Aussage auf der Website der Boring Company liest.
“Currently, tunnels are really expensive to dig, with many projects costing between $100 million and $1 billion per mile. In order to make vast tunnel networks feasible, tunneling costs must be reduced by a factor of more than 10, with TBC's Loop tunnels currently priced at approximately $10 million per mile."
Boring Company Website
Faktoren scheinen irgendwie immer eine wichtige Rolle bei Musks geschäftlichen Bestrebungen zu spielen. Es reicht nicht, dass etwas 10-20% billiger wird. Es muss offenbar suggeriert werden, dass man den heiligen Gral in einem Geschäftsfeld entdeckt hat und Kosten halbiert, viertelt, zehntelt. Schaut man auf andere Projekte, wie die Metro in Los Angeles, dann zeigt sich, dass eine Milliarde je Kilometer tatsächlich nicht falsch sein muss, aber der Vergleich an sich ist sowieso schon mühselig, da die Boring Company offenbar einen Tunnel gebaut hat, der nicht mit anderen vergleichbar ist. Er ist deutlich kleiner und damit statisch weniger komplex, hat keine Notausgänge, keine komplexen Lüftungssysteme, keine Schienen, keine Landrechte mussten dafür erworben werden und das wichtigste: Er ist nicht dafür ausgelegt vollständige Züge mit tausenden Passagieren zu transportieren, deren Kosten natürlich ebenfalls nicht für Musks Projekt anfallen. Musk hat übrigens keine eigene Technologie für sein Unternehmen entwickelt, sondern einfach nur eine Tunnelbohrmaschine gekauft. Die geringeren Kosten, die er nennt, resultieren einfach nur aus der geringeren Größe und den geringeren Anforderungen, aber auch Möglichkeiten.
Im Manager Magazin, machte Martin Herrenknecht, der Gründer der Tunnelbaufirma Herrenknecht, dann seinem Unmut über Musks Aussagen Luft:
“Für meine Branche sehe ich in Musk vor allem einen geschickten Schaumschläger. Er behauptet ja, er könne Tunnel schneller und billiger als andere bauen, und sorgt so für Aufsehen. Bei seinem Referenzprojekt in Las Vegas hat Musk in einer Woche 20 Meter gebohrt. Wir schaffen die gleiche Strecke an einem Tag."
Martin Herrenknecht im Interview mit dem Manager Magazin
Ich erlebe es allgemein sehr häufig, dass viele Menschen erst dann ihren Aha-Moment haben, wenn er Aussagen über ihre eigene Branche trifft.
Tesla muss nie wieder eine Kapitalerhöhung machen
Kommen wir zu den vielen kleinen Ungenauigkeiten und bedenklichen Aussagen von Musk. 2012 sagte er, dass Tesla nie wieder eine Kapitalerhöhung durchführen müsse, obwohl man es nicht ausschließe. Nun ja, seitdem sind folgende Erhöhungen durchgeführt worden:
– 196 Millionen am 28.09.2012
– 913 Millionen am 16.05.2013
– 2 Milliarden am 27.02.2014
– 652 Millionen am 13.08.2015
– 1,4 Milliarden am 25.05.2016
– 1,2 Milliarden am 16.03.2017
– 2,05 Milliarden am 02.05.2019
– 2,3 Milliarden am 13.02.2020
– 5 Milliarden am 01.09.2020
– 5 Milliarden am 08.12.2020
Nennt mich gerne zu kritisch, aber für mein Verständnis führt Tesla ziemlich viele Kapitalerhöhungen durch dafür, dass es nie wieder eine benötigt und Musk seitdem mehrfach beim Blick in den Rückspiegel sagte, dass Tesla beinahe pleite gegangen wäre. Versteht mich hier bitte nicht falsch. Es geht mir primär nicht um den augenscheinlichen Kapitalbedarf an sich, sondern um die Aussage von Musk. Keiner zwingt ihn zu so einer Aussage. Er möchte diese Aussage machen und ist sich der Wirkung bewusst. Wie viele andere CEOs lassen sich zu einer solchen hinreißen? Meinem Empfinden nach ist Musk immer darauf bedacht Stärke nach außen zu präsentieren, um die Investierten bei Laune zu halten. Gleiches lässt sich beim FSD und Solar Roof erkennen.
Formel-1 Techniken für Teslas
Hin und wieder muss ich Musk aber auch Respekt für seine innovativen Ansätze zollen. Zum Beispiel das Umsetzen von Formel-1 Techniken für Tesla-Reparaturen. Etwas, was bislang kein Autohersteller bieten kann.
Wobei man sagen muss, dass meine Begeisterung hinsichtlich des innovativen Ansatz etwas darunter leidet, dass er ihn genau so schon 7 Jahre zuvor ankündigte.
Musk verliert offenbar selbst manchmal die Übersicht über seine Ankündigungen und erneut wollte er etwas “revolutionieren”.
Bitcoin gut, Bitcoin schlecht.
Häufig ist es dann einfach nur schwer Schritt zu halten, was Musks eigentliche Ansicht ist. Ist Bitcoin nun gut und unterstützt den Übergang zu erneuerbaren Energien?

Oder ist es wie 20 (!) Tage später vermeldet eine Gefahr hinsichtlich Klimawandel:

Pro forma sei erwähnt, dass innerhalb dieser 20 Tage keine neuen Erkenntnisse vorlagen und dass man ihm ‘mindestens’ vorwerfen, dass er an seine 100 Millionen Follower Meinungen twittert, deren Grundlage offenbar nicht auf einem festen Fundament stehen. Dabei zieht er ja ebenfalls Tesla mit dem Bitcoin-Kauf in die Manege.
Das folgende ist meine reine Meinung: Für mich entsteht immer wieder der Eindruck, dass Musk sich an Hypes beteiligen will, um die entsprechenden Personengruppen auf seine Seite zu ziehen. Irgendwann entsteht dann ein “Die Geister, die ich rief…”-Phänomen und er riskiert, dass die Stimmung gegen ihn umschlägt. Eben dieser Hype-Verdacht erhärtet sich dadurch für mich, dass innerhalb von 20 Tagen seine Meinung einmal gedreht wird auf Basis längst verfügbarer Informationen. Was seine heutige Meinung hinsichtlich dieses Thema ist, vermag ich nicht mehr zu sagen.
Aus großer Macht,...
Aus großer Macht, folgt große Verantwortung wie ein großer Philosoph unserer Zeit einst sagte. Musk hat mit seiner Reichweite und dem Fakt, dass viele Menschen zu ihm aufschauen, sehr große Macht. Seiner Verantwortung wird er meinem Empfinden jedoch dabei häufig nicht gerecht.

Jetzt mag es ja so sein, dass auch einige von euch die Corona-‘Panik’ rückblickend oder schon damals dumm betrachteten. Das ist gar nicht mein Fokus hier. Was mich mehr als irritierte war, dass er sich offenbar im März 2020 zudem zutraute Aussagen über den weiteren Verlauf der Ansteckungen zu machen und damit bekanntlich unfassbar daneben lag:

Aber Musk wäre nicht Musk, wenn er selbst darauf noch ‘einen draufsetzen’ würde und 3 Tage zuvor ein mögliches Mittel gegen Covid an seine Follower tweetete, das auch Trump zuvor vorschlug. Die Internetsuchen nach diesem Medikament schossen nach den Tweets der beiden um 442% nach oben. Natürlich hatte Musk weder die Ausbildung noch Kompetenz darüber Aussagen zu treffen und dennoch tat er es wie so oft. Und das gerade in der Anfangszeit von Covid, in der noch über so gut wie nichts und schon gar nicht über Gegenmittel Klarheit herrschte. Musk bekam viel Kritik für die Tweets und ruderte später zurück. Es ist meiner Einschätzung nach, abseits der medizinischen Risiken solcher Aussagen, ein sehr riskantes Spiel sich auf Basis von Nicht-Wissen an die Öffentlichkeit zu wagen und damit zu riskieren, dass die öffentliche Meinung gegen ihn und seine Unternehmen umschlägt.

Versprochene Beatmungsgeräte, gelieferte....
Nun mögen ja viele sagen, dass Musk ja später sogar unterstützend eingriff was Corona anging. Schließlich lieferte er Beatmungsgeräte an Krankenhäuser. Als dann erste Zeitungen und Portale bemängelten, dass gar keine Beatmungsgeräte geliefert wurden, antwortete Musk auf einen Tweet unter einem der kritischen Artikel wie folgt:

Also wieder mal ‘unfaire’ Berichterstattung gegen Musk? Offenbar nicht. Die Krankenhäuser meldeten sich nämlich selbst zu Wort und sagten sie hätten CPAPs erhalten und keine Beatmungsgeräte. Nur, dass wir den Unterschied verstehen: Das sind Geräte, die normalerweise Menschen nutzen, die zum Beispiel Probleme mit der nächtlichen Atmung und dadurch Schnarchen oder anderweitige Probleme haben. Es sind ‘keine’ Beatmungsgeräte/Ventilators. Auch hier gilt wieder: Niemand hat Musk gezwungen öffentlich anzukündigen Beatmungsgeräte zu liefern, aber offenbar hatte er auch hier wieder das Bedürfnis und seine Ankündigung fiel ihm letztlich auf die Füße.
Musk will Autismus 'heilen'
Musk verkauft häufig Hoffnungen und an einer Stelle fand ich es besonders verwerflich. Neuralink soll seiner Ansicht nach eine ganze Reihe von Erkrankungen heilen. Inwieweit ihm dieses Urteil zusteht und ob er es mit Experten abgeklärt hat, ist mehr als fraglich. Wenn ich die Hoffnung unter diesem Tweet von ihm lese von erkrankten Menschen lese, wird mir allerdings ganz anders. Ich empfinde es als Spielen mit Emotionen und Hoffnung von Menschen.

Und auch hier wollte Musk wie gewohnt mehr als ‘einfache’ Krankheiten heilen. In einem Interview mit Lex Friedman sagte er, dass Neuralink auch “Erkrankungen” wie Autismus heilen soll. Ich bin alles andere als ein Experte auf diesem Gebiet, aber auch ich wusste, dass Autismus keine Krankheit ist und das man es schon gar nicht ‘heilen’ kann. Wenn überhaupt sollte man dieses Urteil den Experten überlassen und nicht mal des Effektes wegen in einem Interview ‘raushauen’.
Aus einer kleinen Fehde wird mehr
Ich habe etwas mit mir gehadert, ob ich diesen Fall überhaupt hier nennen soll, da es ‘eher’ im Bereich Klatsch und Tratsch anzusiedeln ist, aber es zeigt für meine Verhältnisse wie weit Musk geht um eine Fehde auszutragen, auch auf Kosten seiner Reputation.
Wir erinnern uns sicher alle noch an den Fall der in der Höhle in Thailand eingeschlossenen Kinder, die glücklicherweise gerettet werden konnten. Musk wurde öffentlich von einem Twitter-Nutzer gefragt, ob er nicht auch etwas zur Rettung beitragen könne. Darauf machte er sich mit einem Mini U-Boot auf den Weg nach Thailand, das jedoch nicht zum Einsatz kam. Einer der Taucher, die maßgeblich an der Rettung beteiligt waren, bezeichnete Musk Aktion danach als PR-Stunt und sagte wörtlich, dass er sein U-Boot dahinstecken soll, wo es weh tut. Musk antwortete darauf mit Beleidigungen, die dann letztlich suggerierten, dass sich der Taucher an Kindern vergehen würde und argumentierte sogar noch dafür, dass es richtig sei.

So weit, so bekannt. Doch mir wird immer wieder bewusst, dass viele nicht wissen, dass die Geschichte über einen öffentlichen Ausraster hinausging. Musk heuerte nämlich einen ehemaligen Verbrecher als Detektiv an, der für eine Zahlung von 50.000 Dollar Schmutz über Unsworth ausgraben sollte. Dieser ‘Detektiv’ fütterte ihn mit falschen Informationen, woraufhin Elon Musk den Taucher in einer Mail an einen Journalisten mit noch schlimmeren Behauptungen bewarf. Eben das wurde bei der anschließenden Gerichtsverhandlung (der Taucher verklagte ihn nämlich tatsächlich) nicht thematisiert bzw. durfte nach Ansicht der Gerichte nicht in die Entscheidung der Geschworenen einfließen. Diese entschieden am Ende zugunsten von Musk, da nicht klar sei, dass Unsworth mit den Tweets gemeint sei. In solchen Momenten verstehe ich US-Gerichte wieder mal nicht. Musk behauptete in der Gerichtsverhandlung er habe nicht wirklich unterstellen wollen, dass der Taucher sich eines Verbrechens schuldig gemacht habe, sondern dass das Wort “pedo guy” in Südafrika einfach nur “gruseliger, alter Mann” bedeute. Kann man das noch als etwas anderes als eine Lüge bezeichnen? Er hat dafür argumentiert und es de facto in der Mail an den Reporter geschrieben. Hier gibt es keinen Interpretationsspielraum. An den Vorwürfen, die Musk gegenüber dem Taucher machte, war übrigens nichts dran und es zeigt wie weit Musk geht, um Menschen, die ihn herausfordern, fertig zu machen. Ich hatte als ehemaliger Musk-Unterstützer erhebliche Zweifel an ihm mit Ankündigung der Solar-City-Übernahme und wurde dann endgültig kritisch mit dieser Geschichte.
Vertreter der "Free Speech"?
Wenn das noch nicht genügt als Beweis dafür, dass Musk offenbar kein Vertreter der Form der “Free Speech” ist, wie ‘er’ sie gerne mal proklamiert, nämlich als öffentlicher Austausch, der in keinen sittlichen Grenzen stattfindet, solange er selbst nicht davon betroffen ist, dann gibt es noch genügend weitere Fälle.

Da wäre zum Beispiel der Fall rund um “Montana Skeptic”, der auf seinem Blog kritische bzw. negative Artikel zu Tesla verfasste. Inhaltlich will ich das gar nicht bewerten. Musk passte diese negative Berichterstattung jedoch nicht und rief bei dem Arbeitgeber des Bloggers an und drohte ihm mit Klage, wenn er weiter über Tesla schreiben würde. Er löschte daraufhin seinen Twitter-Account, da der Arbeitgeber des Bloggers ihn tatsächlich zum Aufhören bewegte.
Ähnliches geschah Linette Lopez, die sich nach einigen kritischen Artikeln über Tesla, öffentlich von Musk anhören musste von dem Shortseller Jim Chanos bezahlt zu werden oder irgendeine andere Form der Kompensation abseits ihres Gehalts für die Kritik zu erhalten. Dafür gab es jedoch keinerlei belastbare Anzeichen. Sie wird bis heute von Musks fanatischsten Unterstützern auf Twitter drangsaliert und der ehemalige Vorwurf hält sich bis heute wacker unter ihnen.
Musk scheint offenbar nicht an der freien Rede interessiert zu sein, wenn sie augenscheinlich gegen ihn gerichtet ist. Fortwährend gibt es Unterstellungen an verschiedenste Websites und Zeitungen bezahlt zu werden, dass sie negativ über Tesla oder ihn berichten. Tesla hat mittlerweile nicht mal mehr ein PR-Department und sucht sich mit der Pinzette aus welche Journalistinnen und Journalisten bei den Events wie der Fabrikeröffnung in Brandenburg berichten dürfen. Das ZDF durfte nach einem kritischen Bericht zum Beispiel nicht erscheinen.
Diese Kultur des Schweigens und Unterstellens ist meinem Empfinden nach noch nie ein gutes Zeichen gewesen und lädt gerade dazu ein, dass sich mutige Reporterinnen und Reporter kritisch mit Musk und Tesla auseinander setzen.
Stetig neue Ankündigungen
Für mich ist eins ziemlich offensichtlich. Der aktuelle Musk ist besser im Ankündigen als im Abliefern. Anstatt die zuvor angekündigten ‘Disruptionen’ bei Solar, Autonomen Fahren, Tunnelbohren, Hyperloop etc. umzusetzen, kündigt er lieber eine neue an. Aktuell der neue Roboter Optimus, der Menschen und Unternehmen Aufgaben im Sinne einer echten künstlichen Intelligenz abnehmen soll. Ich betrachte das als nicht beschäftigenswert. Das Video der Ankündigung spricht gewissermaßen für sich. Ich weiß ich bin zu alt, um das Wort zu verwenden, aber ich bin schwer dafür, dass der Videoausschnitt bei der Google-Suche nach “boomer cringe” ganz oben erscheint.
Ich bin mir abseits dessen sicher, dass Musk am kommenden Tesla AI Day ‘etwas’ zeigen wird, das so ‘aussieht’ als sei es nützlich und ein Meilenstein, was aber weder von externen überprüfbar sein wird noch in absehbarer Zeit so für potentielle Kundinnen und Kunden funktionieren wird ‘wie’ man es zeigt. Das ist Musk, wie ich nun schon die ganze Zeit erlebe.
Fazit Musk
Warum habe ich das so ausführlich dargestellt? Nicht aus purer Lust am schrecklichen, sondern um einerseits aufzuzeigen wie wenig genau es Musk mit der Wahrheit und seinen Ankündigen nimmt und man sich somit nicht darauf verlassen sollte und andererseits, dass er ein sehr gefährliches Spiel mit der öffentlichen Meinung spielt. Ich will bei beiden Punkten verdeutlichen wie oft das zu Tage tritt und nicht etwa Anomalien in Musks Verhalten sind. Es gibt wirklich noch unzählige weitere Fälle, die ich hier aber nicht für wichtig genug erachte, um sie näher zu behandeln. Seien es nun die Flint Wasserfilter oder die Autotransporter, die Musk bauen wollte.
Manch einer mag jetzt sagen: “Aber Musk hat doch Raketen landen lassen und Elektroautos gebaut.” Wenn ihr so argumentiert, verlasst ihr meiner Meinung nach die argumentativ gestützte Ebene der Argumentation und geht auf eine andere. Die des Vertrauens. Der Erfolg in einem Bereich, garantiert nun mal nicht den in einem anderen wie wir so oft sehen konnten. Musks Gabe ist es die Menschen dies dennoch glauben zu lassen und die wahrgenommene Realität seiner Geschichte anzupassen. Es wurde zum Beispiel nie primär Zweifel gezogen, dass Raketen landen können, sondern dass es nicht wirtschaftlich möglich ist. Auch zuvor gab es bereits landende Raketen, die aber nie kommerziell genutzt wurden. Dennoch gebührt SpaceX dafür erhebliche Anerkennung, denn sie nutzen Raketen kommerziell und haben natürlich ein ganz anderes technologisches Level erreicht als alle Versuche zuvor.
Jetzt drängt sich natürlich die Frage auf, ob Tesla ohne Musk besser dran wäre und eben diese kann ich nicht beantworten. Ich kann mir Tesla ohne Musk offen gestanden nicht vorstellen, aber was mich immer wieder irritiert sind diese endlosen Ankündigungen, die ihm meinem Empfinden nach irgendwann doch noch alle auf die Füße fallen werden. Dazu diese andauernde Besessenheit von der öffentlichen Meinung, die auch schnell mal umschlagen kann. Das fängt schon damit an, dass Musk sich selbst als Ingenieur bezeichnet, obwohl er keinen Ingenieursabschluss hat und diesen Titel auch eigentlich nicht tragen darf. Warum ist es ihm dennoch so wichtig, dass immer wieder zu betonen? Warum nennt er sich Tesla-Gründer obwohl de facto Eberhard und Tarpenning die Gründer waren? Es weiß doch auch so jeder, dass er Tesla entscheidend und am meisten geprägt hat.
Für mich ist diese Obsession mit dem Erhalt des technischen Überlegenheitsnimbus kombiniert mit dem Drang den öffentlichen Diskurs zu prägen ein Warnsignal, das mich vom Investieren in Tesla abhält. Ich möchte keinen real-life Ikarus an der Spitze eines meiner Unternehmen.
Die Bewertung
Wenn ich mich bei einem mit am meisten geirrt habe, dann ist es welche Kurssprünge bei der Tesla Aktie möglich waren. Stand heute steht die Aktie bei einer Marktkapitalisierung von 913 Milliarden Dollar. Angesichts dessen kann ich es durchaus verstehen, dass Tesla-Investierte das augenscheinliche Märchen von der “Überbewertung” nicht mehr hören können. Dennoch darf ein kritischer Artikel aus meiner Sicht nicht außer Acht lassen wie viel Fantasie in dem momentanen Kurs verbaut ist. Ich habe lange überlegt wie ich das Thema angehen soll. Wer schon mal ein Video von mir gesehen hat, weiß, dass ich in der Regel sehr ausführliche Discounted Cash Flow Analysen mache und dabei das Marktwachstum, Aussagen des Managements und von Branchenexperten, sich abzeichnende Entwicklungen in den historischen Zahlen etc. mit einbeziehe. Eben dies erschien mir hier nicht sinnvoll.
Wenn ich eine Bewertung dieser Art erstellen würde, dann würde ich diese anhand meiner Erwartungen für die Zukunft erstellen und eben dort haben weder Roboter Optimus, Tesla-Versicherung, FSD noch andere Tesla-Zukunftsmusik einen Platz. Wachrütteln würde ich damit wohl eher keinen der stoischen Tesla-Investierten. Daher habe ich mich dazu entschieden eine deutlich simplere Herangehensweise zu wählen, die rein auf potenziellen Finanzkennzahlen basiert, die ich zwar nicht für wahrscheinlich, aber als Mittel zum Verdeutlichen der Größenordnungen erachte, die hier in Zukunft erreicht werden müssen. Welche Schlüsse ihr daraus zieht, ist euch überlassen.
Ich habe also unkritisch folgende Punkte in die Berechnung einbezogen:
– Ein Umsatz für 2030 von 900 Milliarden US-Dollar, was den von Musk in Aussicht gestellten 20 Millionen Autos pro Jahr mit einem von mir angenommenen durchschnittlichen Verkaufspreis von 45.000 Dollar entspräche. Zum Vergleich: der gesamte Automotive-Bereich weltweit hat 2021 einen Umsatz von ca. 3 Billionen erzielt. Wie gesagt: ihr dürfte gerne auch Robots, FSD hier mit einplanen. Es geht mir nur um die Größenordnung.
– Eine operative Marge von 18%
– Keine Zinszahlungen
– Eine Tax-rate von 20%
– Ein faires KGV von 15
Daraus ergäbe sich ein Net income von Wert 129,6 Milliarden im Jahr 2030. Angesichts eines fairen KGVs von 15 ergäbe sich daraus eine Marktkapitalisierung von 1,94 Billionen im Jahr 2030. Daraus ergäbe sich bei der momentanen Anzahl von Aktien ein Wert von 1.862 USD je Aktie. Momentan steht die Aktie bei 886 Dollar und hätte somit ein Upsidepotential von 110%.
Jetzt muss jeder selbst von euch entscheiden, ob euch diese Annahmen realistisch erscheinen, zu hoch oder zu niedrig gegriffen sind. Aber gerne dürft ihr auch ein höheres Multiple annehmen. Selbst bei einem 30er-Multiple ergäbe sich ‘nur’ ein Upsidepotential von 320%. Rechtfertigt, dass das Risiko, das ohne Frage hinsichtlich des Erreichens der Schätzungen besteht?
Wie wahrscheinlich ist es, dass Tesla 2030 einen Umsatz von 900 Milliarden erzielt? Das entspricht dem gesamten Umsatz der 16 größten Autokonzerne im ersten Halbjahr 2021 inklusive Tesla. Wie wahrscheinlich ist es, dass Tesla ein Net income von 130 Milliarden erzielt? Das entspricht dem Jahresgewinn der 16 größten Autokonzerne 2021 inklusive Tesla. Bei der aktuellen Marge von ca. 17% fallen mit 3% noch die Energy Credits ins Gewicht. Ist es angesichts dessen wahrscheinlich, dass Tesla dauerhaft eine operative Marge von 18% hat? Bei der tax-rate hatte ich zudem einen Sicherheitsabschlag auf den ohnehin schon niedrigsten Wert der großen Autohersteller inkludiert.
Ich weiß, dass ich so niemanden mental erreiche, der davon ausgeht, dass Tesla groß ins Robotaxi- und Robotergeschäft einsteigt, aber vielleicht macht ihr euch auch nochmal bewusst was ihr als faire Bewertung betrachtet und was daran geknüpft ist. Ich sehe hier die Nadel auf jeden Fall klar auf der Risikoseite ausschlagen.
Fazit
Ihr solltet jetzt auf gar keinen Fall den Fehler machen nur den kritischen Teil im Kopf zu behalten. Die inhaltliche Verschmelzung aus beiden Artikeln stellt meine tatsächliche Meinung dar. Es gibt gute Gründe in die Tesla Aktie investiert zu sein und eben diese habe ich im positiven Artikel dargestellt, aber mich persönlich halten die hier genannten Gründe zurück und das wahrscheinlich dauerhaft.
Obwohl ich Tesla als Unternehmen und Marke toll finde, überwiegen für mich auf vielfältige Weise die Risiken. Gerade Musk als CEO ist ein Hindernis, das ich mental bei dem Weg zu einer Kaufentscheidung nicht überwinden kann. Ich würde mir auch wünschen, dass die Tesla-Investierten allgemein kritischer gegenüber Musk sind, denn viele Dinge sind schlicht nicht zu entschuldigen. Ich habe hier ja auch bewusst einige ‘Stories’ weggelassen, da sie zu sehr Tratsch-Charakter haben, aber bei jedem anderen CEO schon längst zur Entlassung geführt hätten.
Allgemein habe ich viele Aspekte weggelassen, da sie mir nicht hieb- und stichfest bzw. nicht klar genug interpretierbar erschienen. Zum Beispiel Teslas Änderungen bei der Umsatzrealisierung, der Weggang vieler Führungskräfte, die laufenden Verfahren und Rechtsstreitigkeiten sowie viele weitere Punkte.
Ich beobachte die Tesla Aktie also weiter aus der Ferne und habe bereits in der Vergangenheit meine Meinung zu dem Unternehmen geändert. Ich bin daher gerne bereit es wieder zu tun. Dafür braucht es jedoch Ergebnisse und eben daran bemesse ich Tesla, aber eben nicht an dem was Musk sagt oder suggeriert. Wenn ihr in das Unternehmen investiert, kann ich euch zumindest in Teilen verstehen. Wenn ihr in Musk investiert, dann fehlt mir leider das Verständnis auf Basis der nun über ein Jahrzehnt andauernden Historie an Versprechungen und Irreführungen, die ich jederzeit wieder für möglich halte.
Meine Buchempfehlungen* für die Aktienbewertung
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