Inhaltsverzeichnis
Betrachtet man die Quartals- und Jahreszahlen von Unternehmen, gewinnt man den Eindruck, dass aktienbasierte Vergütungen (Stock-Based Compensation) für Mitarbeiter keinen Einfluss auf den Free Cash Flow haben. Zunächst erscheint dies auch schlüssig, da rein technisch betrachtet kein Geld abfließt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten anstatt von Gehaltszahlungen Aktienoptionen und/oder Aktien mit Verfügungsbeschränkung, die jeweils nicht zahlungswirksam im Cash Flow Statement erscheinen. Warum ich trotz dieser Tatsache fest davon überzeugt bin, dass du bei deiner Berechnung des FCF die Stock-Based Compensation (SBC) abziehen solltest, erfährst du in diesem Artikel.
Wenn du eher audiovisuell veranlagt bist, schau gerne mein ausführliches Video zu der Thematik:
Wo finde ich die Stock-Based Compensation in den Unternehmenszahlen?
Nach meiner DCF-Analyse zu Hellofresh hatte ich einen interessanten Kommentar, über den ich mich wirklich alles andere als lustig mache, sondern sehr gut verstehen kann, dass hier weit verbreitete Verwirrung herrscht. Der Kommentator war der Meinung, dass SBC keine operative Kosten sind und nicht im Income Statement bzw. in der Gewinn- und Verlustrechnung erscheinen. Zudem, dass sie den FCF nicht negativ beeinflussen. In der letzten Aussage steckt Wahrheit, bei dem ersten Teil widerspreche ich jedoch komplett.
Schauen wir uns doch mal das Beispiel von Tesla an. Keine Sorge du musst dir die drögen Folien aus den Filings nicht notwendigerweise anschauen. Du wirst mir auch so folgen können und wenn nicht schreib mir gerne deine Fragen in die Kommentare.
Hier siehst du das Income Statement aus dem SEC-Filing für das Gesamtjahr 2021:

Selbst nach langem Suchen wirst du hier die Stock-Based Compensation nicht finden und dennoch sind sie da. Wie so oft verstecken sich elementare Komponenten außerhalb der Income Statements. Um das schon gleich zu Beginn klarzustellen: Das trifft nicht exklusiv auf Tesla zu. Ich nehme das Unternehmen hier als Beispiel, weil die SBC hier besonders hoch und damit der Effekt besonders ausgeprägt ist. Um die Stock-Based Compensation zu finden musst du leider wieder etwas in das Filing des Unternehmens abtauchen, um fündig zu werden.
Hier siehst du nun aber, wo die SBC zu finden sind, nämlich immer unter den Punkten im Income Statement, denen die entsprechenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zugeordnet sind. Erhält ein Mitarbeiter aus dem Forschungs- und Entwicklungsbereich die Vergütung, werden die Kosten Research and Developement (R&D) zugeordnet. Erhält dagegen Elon Musk ein Aktienpaket, wird es Selling, general and administrative (SG&A) zugeordnet. Beides sind klar operative Kosten bzw. operating expenses, wie du an dem “Income Statement” oben sehen kannst. Ein Punkt, dem übrigens auch Warren Buffet zustimmen würde. Das ist auch nur nachvollziehbar, da es eine Komponente der Gehaltszahlungen für die entsprechenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist.

Übrigens: Falls du dich schon mal gefragt hast was es in den SEC Filings mit “GAAP” und “Non-GAAP” auf sich hat. Häufig sind SBC eben ein, wenn nicht sogar ‘der’ gewichtige Faktor, der bei “Non-GAAP” herausgerechnet wird, um die Zahlen vorsichtig formuliert etwas ‘netter’ erscheinen zu lassen. Gleiches gilt auch des Öftern für das unschöne Wort “adjusted” in “Adjusted EBITDA” etc.
Free Cash Flow allgemein
Die Frage danach, ob es sich bei den SBC um operative Kosten handelt, kann also bejaht werden. Betrachten wir nun den Fall des Free Cash Flows. Zur Erinnerung: Der FCF oder worauf ich mich immer beziehe der FCFF (Free Cash Flow to Firm) ist der Teil des Cash Flows, der zur Verteilung an alle Kapitalgeberinnen und -geber eines Unternehmens nach Kosten, Steuern, Erhöhung des Working Capitals und Investitionen (abzüglich eventueller Veräußerungen) zur Verfügung steht. Dieses Kapital könnte also an die Kapitalgeberinnern und -geber ausgeschüttet werden, ohne dass man dem Unternehmen dringend benötigte Mittel entzieht. Nicht nur für mich ist der FCFF der wichtigste Indikator bei der Berechnung des Werts einer Aktie.
Betrachten wir nun wieder als Beispiel das Cash Flow Statement von Tesla, was so aber auch für jedes andere Unternehmen gilt, dass nach den US-GAAP Buchhaltungsstandards berichtet:

Wie du siehst werden die Stock-Based Compensation dem Net income wieder hinzugerechnet und erhöhen so den operativen Cash Flow. Das ist auch rein formal korrekt, da durch die SBC, wenngleich sie auch operative Kosten sind, keine Zahlungsmittel aus dem Unternehmen abfließen und eben das durch das Cash Flow Statement dargestellt werden soll.
Häufig neigen Unternehmen sowie Analysten dann dazu von dem Operating Cash Flow die Investitionen (Capital Expenditures=CapEx) abzuziehen, um zu dem FCF zu gelangen. FCF Tesla berechnet im Einklang damit in seinen Folien für das Gesamtjahr 2021 den Free Cash Flow folgendermaßen:

Das Tesla bei seiner Berechnung der Capital Expenditures nicht die Finance bzw. Capital Leases inkludiert lassen wir an dieser Stelle beiseite, wenngleich es ebenfalls einen erheblichen Einfluss auf den ausgewiesenen FCF hat. Das ist aber etwas, das einige Analystinnen und Analysten in den Berechnungen des FCF ihrerseits richtigstellen, weil es rein objektiv nahezu unstrittig ist. Zu dem strittigen Teil, der seitens Analysierenden häufig außer Acht gelassen wird, kommen wir jetzt.
Reduzieren Stock-Based Compensation den Free Cash Flow?
Die Frage erscheint zunächst banal, da wir ja bereits festgestellt haben, dass es keine zahlungswirksamen Ausgaben sind. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass wir die Stock-Based Compensation ebenfalls vom Free Cash Flow abziehen müssen, um ein aussagekräftiges Ergebnis zu erhalten.
Wenn wir eine Aktie bewerten, sollte es für uns weniger interessant sein wie viel Free Cash Flow das dahinterstehende Unternehmen generiert, sondern eher wie viel des Cash Flows auf unsere Aktie bzw. unseren Anteil entfällt. Ich denke für dich macht es durchaus auch einen Unterschied, ob sich 10 Millionen Euro FCF auf 10 oder 12 Millionen Aktien des gleichen Unternehmens verteilt. Du würdest wohl kaum auf die Idee kommen der Aktie in beiden Szenarien den gleichen Wert zuzuweisen respektive den gleichen Preis dafür bezahlen. ‘Das’ ist es, was für uns als Aktionärinnen und Aktionäre relevant ist.
Aswath Damodaran, seines Zeichens Professor der Stern School of Business an der New York University, hätte es in seinem Blog besser nicht formulieren können:
The stock-based compensation may not represent cash but it is so only because the company has used a barter system to evade the cash flow effect. Put differently, if the company had issued the options and restricted stock (that it was planning to give employees) to the market and then used the cash proceeds to pay employees, we would have treated it as a cash expense.
Aswath Damodaran
Was sagt uns Damodaran also hier? Es ist zwar ohne Zweifel korrekt, dass Stock-Based Compensation keine zahlungswirksamen Ausgaben sind, aber nur weil Unternehmen einen Weg gefunden haben, um den Effekt zu umgehen. Wenn ein Unternehmen eine Kapitalerhöhung durchführen würde und die Erlöse davon nutzen würde, um seine Angestellten zu bezahlen, würden wir es als zahlungswirksame Ausgabe behandeln. In diesem Fall würden wohl viele Aktionärinnen und Aktionäre wohl zumindest mal die Augenbrauen hochziehen und sich fragen, ob das so von ihnen gewünscht ist. In die gleiche Kerbe schlägt Warren Buffet mit seinem gewohnt trockenen Humor:
"If you're a CEO and subscribe to this 'no cash-no cost' theory of accounting, I'll make you an offer you can't refuse: Give us a call at Berkshire and we will happily sell you insurance in exchange for a bundle of long-term options on your company's stock."
Warren Buffett
Noch deutlicher wird es bei den folgenden Zeilen:
"When we consider investing in an option-issuing company, we make an appropriate downward adjustment to reported earnings, simply subtracting an amount equal to what the company could have realized by publicly selling options of like quantity and structure. Similarly, if we contemplate an acquisition, we include in our evaluation the cost of replacing any option plan. Then, if we make a deal, we promptly take that cost out of hiding."
Warren Buffett
Interessanterweise betrachten viele Anlegende den Sachverhalt aber eben nicht so, da er etwas abstrakter ist als eine Kapitalerhöhung, in der Geld aus der eigenen Taschen in denen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihres Unternehmens landet. Mach dir dennoch klar, dass sich mit jeder Form der Stock-Based Compensation dein Anteil an dem Unternehmen verringert und damit auch dein Anteil an dem Free Cash Flow des Unternehmens. Somit wandert zunehmend ein größerer Anteil der Cash Flows in die Hände anderer und dein Anteil verringert sich relativ.
Ich möchte deutlich betonen, dass es hier nicht um eine Kritik an der Form der Vergütung allgemein geht, sondern um eine Erklärung dafür warum ihr SBC entgegen der rein formalen Logik als Cash Flow reduzierende Ausgabe erfassen solltet. Hier habe ich dir nochmal den Effekt relativ einfach dargestellt, der durch die Bezahlung in SBC auftritt:

Wie berechne ich denn nun den Free Cash Flow?
Erstmal berechnest du den FCF so wie du möchtest. Ein intelligenter Mensch kann etwas Dummes sagen und ein dummer Mensch etwas intelligentes. Du solltest Aussagen und Argumentation immer unabhängig vom Verfasser betrachten und dir überlegen, ob es dich überzeugt. Wenn das hier der Fall sein sollte, dann kann ich dich beruhigen: Der an sich abstrakt wirkende Sachverhalt ist in der Praxis leicht zu berechnen:

Wie du siehst, musst du die SBC gar nicht mehr gesondert behandeln, da wir vorhin am Beispiel von Tesla festgestellt haben, dass diese bereits im EBITDA enthalten sind. Wundere dich auch nicht, dass wir die D&A erst abziehen und dann wieder hinzurechnen. Das ist eine Hilfslösung um zu dem NOPAT (Net Operating Profit After Taxes) zu kommen.
Berechnung des FCF bei Tesla
Bei Tesla kannst du als Ausgangspunkt die ausgewiesene Zahl für den Operating Cash Flow nehmen und dann genauso wie das Unternehmen selbst es vollzieht, die entsprechenden Capital Expenditures abziehen. Davon musst du dann nur die SBC abziehen, da diese ja zuvor den Operating Cash Flow erhöht haben. So gelangst du dann zu dem realen Free Cash Flow.
Wer jetzt verständlicherweise die Stirn runzelt und denkt “Das kann doch nicht sein, dass ich hier nochmal 2,121 Milliarden abziehen muss.”, sollte sich nochmal bewusst machen, dass SBC im Prinzip nichts anderes sind als eine Kapitalerhöhung in Höhe von 2,12 Milliarden durchzuführen und den Erlös an die Angestellten auszuschütten. Das Unternehmen hat lediglich einen Weg gefunden diese Ausgaben als No-Cash Expenses auszugestalten.

Fazit
Ich hoffe ich konnte dir vermitteln, warum es durchaus sinnvoll ist die Stock-Based Compensation von dem Free Cash Flow abzuziehen und warum du sie als reale Kosten für Aktionärinnen und Aktionäre betrachten solltest. Beziehst du sie nicht in deine Betrachtung ein, läufst du meiner Ansicht nach Gefahr deine Aktie überzubewerten. Gerade wenn die SBC vergleichsweise hoch sind. Am Ende entscheidest du natürlich selbst wie du mit der Thematik umgehst.
Solltest du schon etwas weiter fortgeschritten in dem Thema sein, wird dir aufgefallen sein, dass ich die SBC nur im Zusammenhang mit dem FCF behandelt habe und nicht auf den Einfluss der Unvested Options und Unvested restricted stock auf Equity Value eingegangen bin. Das würde hier den Rahmen sprengen und ist im Vergleich zu den SBC im Allgemeinen eher vernachlässigbar.
Bei Fragen oder Anregungen darfst du mir gerne in die Kommentare unter diesem Artikel schreiben.
Meine Buchempfehlungen* für die Aktienbewertung
Disclaimer: Der Autor übernimmt keinerlei Gewähr für die Aktualität, Korrektheit, Vollständigkeit oder Qualität der bereitgestellten Informationen. Haftungsansprüche gegen den Autor, welche sich auf Schäden materieller oder ideeller Art beziehen, die durch die Nutzung oder Nichtnutzung der dargebotenen Informationen bzw. durch die Nutzung fehlerhafter und unvollständiger Informationen verursacht wurden sind grundsätzlich ausgeschlossen, sofern seitens des Autors kein nachweislich vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verschulden vorliegt. Der Autor behält es sich ausdrücklich vor, Teile der Seiten oder das gesamte Angebot ohne gesonderte Ankündigung zu verändern, zu ergänzen, zu löschen oder die Veröffentlichung zeitweise oder endgültig einzustellen. Die in Blogeinträgen oder sonstigen Online-Publikationen besprochenen Anlageprodukte und Wertpapiere dienen lediglich der Veranschaulichung/Meinung und stellen keine Anlageempfehlung dar. Für etwaige Verluste wird keine Haftung übernommen.
Verwandte Beiträge
3 Kommentare
Kommentar verfassenAntwort abbrechen
Stay connected
Abonniere den Newsletter
Die Schulden der Autohersteller – Warum VW, BMW & Mercedes ‘nicht’ überschuldet sind
Die massive Überschuldung der klassischen Autohersteller ist ein Mythos, der sich nun seit Jahren tapfer hält. Dabei gehen die Unterschiede zu anderen Unternehmen leider allzu oft vergessen.
Stock-Based Compensation – Warum auch aktienbasierte Vergütung den Free Cash Flow reduziert
Betrachtet man die Quartals- und Jahreszahlen von Unternehmen, gewinnt man den Eindruck, dass aktienbasierte Vergütungen für Mitarbeiter keinen Einfluss auf den Free Cash Flow haben. Zunächst erscheint dies schlüssig, aber auf den zweiten Blick ergibt sich ein anderes Bild. Welches das genau ist, erfährst du in diesem Artikel.
[…] (10-Q) können wir das nur schwer überprüfen, da uns die konkreten Angaben zu den Leases fehlen.Die Stock-Based-Compensation sollten wir auf jeden Fall abziehen, daher ergibt sich für das Q1 ein FCF in Höhe von 682 Millionen […]
Danke für den Artikel! Ich rechne immer mit den Non-GAAP Zahlen ohne SBC, benutze bei der Anzahl der Aktien dann aber die Diluted Shares. Wenn ich damit den FCF per Share berechne (Free Casflow/Diluted Shares), dann hab ich die SBC ja auch wieder drin?
Das ist das, was ich meine, wenn ich sage, dass wir die SBC entweder im Zähler oder im Nenner berücksichtigen müssen. Da der FCF in der Regel als absolute Zahl kommuniziert wird, kommt das eben häufig zu kurz. Die wenigsten gehen dabei so gründlich vor wie du.