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Mit Spannung habe ich die Jahreszahlen des kleinen Raumfahrtkonzerns aus Bremen erwartet. Denn die beim Capital Markets Day Januar veröffentlichten langfristen Ziele waren nicht unambitioniert. Die Aktie von OHB bewegt sich seit 2017 de facto seitwärts und für einen Ausbruch fehlten die großen Sprünge bei den Finanzergebnissen. Der große Sprung blieb zwar aus, aber neben etwas Schatten gab es auch viel Licht in den veröffentlichten Jahreszahlen.
OHB patzt beim Umsatz

Als ich die veröffentlichten Umsatzzahlen das erste Mal sah, konnte ich mir ein wenig Fluchen nicht verkneifen. Der Grund dafür war, dass OHB am Capital Markets Day ‘diesen’ Jahres noch einen Umsatz von einer Milliarde Euro für 2021 in Aussicht gestellt hat. Ich habe durchaus Verständnis dafür, dass sich Zahlen nach dem Jahresabschluss noch ändern, aber nicht, wenn es sich dabei um knapp 10% der Gesamtleistung handelt.
Als Grund für den geringeren Umsatz nannte das Unternehmen eine Covid-bedingte Verschiebung von Unterauftragnehmerleistungen in Folgeperioden. Das wird auch tatsächlich der Grund sein, aber wenn ich eines an Vorständen von Unternehmen schätze, dann ist es Ziele herauszugeben, die man auch erreicht bzw. erreichen kann. Covid war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der langfristigen Guidance wohl kaum noch eine Überraschung. Entsprechend vorsichtig hätte man dann auch die Zahlen kalkulieren und Sondereffekte einplanen können.
Hinsichtlich EBIT und EBITDA hat man die herausgegebenen Ziele sogar übertreffen können. Ursprünglich plante man hier mit 80 Millionen Euro EBITDA und 45 Millionen EBIT, erreicht hat man 84 Millionen respektive 47 Millionen Euro. Der Gewinn je Aktie stieg mit 1,58 Euro auf einen neuen Rekord. An der diesjährigen Hauptversammlung will OHB wieder einen Teil des Gewinns, nämlich 48 Cent je Aktie, für eine Dividende vorschlagen.
Nach meiner Berechnung ergibt sich für das Gesamtjahr 2021 ein Return auf das investierte Kapital (ROIC before Goodwill) in Höhe von 10,1 %, und durchschnittliche Kapitalkosten für OHB (WACC) in Höhe von 5,7 %. Auf jeden Fall kein schlechter Spread.
Beim Free Cash Flow (FCF) komme ich auf einen deutlich höheren ‘negativen’ Betrag als den, den OHB ausweist. Anstatt der – 15 Millionen Euro, komme ich auf -30,6 Millionen. Für den negativen FCF ist in erster Linie die deutliche Erhöhung des Working Capitals verantwortlich. Hier standen tatsächlich 70 Millionen Euro mehr in der Bilanz. Das ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass OHB meistens größere Aufträge im dreistelligen Millionenbereich erhält, für die man häufig in Vorleistung geht. In den darauffolgenden Jahren sollte es sich ebenso wie 2017 und 2018 wieder normalisieren.

Einen wesentlichen Anteil an den guten Ergebnissen hatte das Segment “Digital”, das erstmals getrennt ausgewiesen wurde. Mit diesem Segment will der Konzern die Fähigkeiten der hergestellten Satelliten verstärkt serviceseitig nutzen. Sei es im Bereich IT-Sicherheit, IoT, autonome Mobilität oder dem zur Verfügung stellen von Daten für Klima, Ökologie und Umwelt. Wenig überraschend gehen mit diesem Servicegeschäft höhere Margen einher als bei den bei den anderen Segmenten. Hier konnte OHB eine EBIT-Marge von 13,9 % erzielen, was deutlich über den Margen der Segmente “Aerospace” (0,5 %) und “Space Systems” (4,4 %) liegt.
Die aktuelle Verschuldung

Ich ziehe häufiger mal beim Durchschauen von Unternehmens-Folien zu Finanzkennzahlen die Augenbrauen hoch. Bei der Verschuldung hatte ich wieder so einen Moment. Die Net debts, sprich Nettoverschuldung, sollte normalerweise alle zinstragenden Verbindlichkeiten umfassen abzüglich der Cashposition. Ich komme hier auf eine deutlich größere Zahl als OHB. Folgende Komponenten habe ich dafür hinzugenommen:
1. Long Term Debt 10,48 Millionen
2. Debt equivalent of operating leases (ebenfalls zinstragend) 42,68 Millionen
3. Short Term Debt (alles zinstragend, siehe Position 30 im Jahresabschluss) 145,87 Millionen
4. Current portion of debt equivalent of operating leases 11,16 Millionen
5. Retirement Related Liabilities 110,96 Millionen
Abzüglich des Excess Cash (im Einklang mit der Methode von McKinsey betrachte ich einen Anteil von 2% der Umsätze als Operating Cash) komme ich auf Net Debts in Höhe von 235,9 Millionen. Auch unter Abzug des Operating Cash komme ich längst nicht auf den Betrag, den OHB hier ausweist. Hier lasse ich mich gerne belehren, sofern jemand nachvollziehen kann was OHB hier aus der Betrachtung genommen hat.
Guidance für 2022 und darüber hinaus

Trotz des Dämpfers bei den Umsatzzahlen für 2021, hält der Vorstand an den übrigen in Aussicht gestellten Umsätzen bis 2025 fest und bestätigt den Ausblick. Der Großteil der Umsätze soll weiterhin organisch aus dem Raumfahrtsbereich erfolgen. Hier ist OHB sowohl für Staaten tätigt, beispielsweise mit den Galileo-Satelliten, als auch mittlerweile verstärkt kommerziell. Zum Beispiel als Zulieferer für Boeing, das Ariane-6-Programm und auch als Hersteller für kommerzielle Satellitenkonstellationen.
Im Bereich “Digital” will man dagegen gezielt auch anorganisches Wachstum erzielen. Etwas, das ich immer sehr ungern höre, da meist die gezahlten Premiums für Übernahmen so hoch sind, dass kaum ein Mehrwert für Aktionärinnen und Aktionäre entsteht. Eine erste Übernahme erfolgte bereits im Februar diesen Jahres mit der Geosystems GmbH, die sich auf die Aufbereitung und Auswertung der Sensordaten von Erdbeobachtungsatelliten spezialisiert hat. Zugute halten muss man OHB, dass es gerade für einen Industriekonzern sicher besser ist sich qualifizierte Unternehmen einzukaufen als einen halbgaren Eigenversuch im IT-Bereich zu starten. Dennoch bin ich gespannt wie hoch der Goodwill in den nächsten Quartalszahlen ist, da man in der Pressemeldung keine Angaben zu den Übernahmekosten gemacht hat.

Dem stärkeren Anteil an digitalen Dienstleistungen innerhalb der Gesamtumsätze ist es wohl auch geschuldet, dass man bei der Guidance hinsichtlich EBITDA und EBIT sehr ambitionierte Ziele herausgibt. Sollte man 2025 wirklich auf die 124 Millionen Euro EBIT kommen, entspräche das gemessen an den in Aussicht gestellten Umsätzen einer EBIT-Marge von 8% im Vergleich zu jetzt 5,1% und bei der Betrachtung der heutigen Bewertung einer EV/EBIT-Ratio von 6,83. Hier wäre also ganz offenbar noch Luft nach oben bei der Bewertung.
Discounted Cash Flow Analyse
Eine DCF-Analyse verstehe ich immer als Diskussionsangebot und entsprechend kritisch darf man dabei auch gerne mit meinen Berechnungen ins Gericht gehen. Ich nehme hierfür als Grundlage die McKinsey vorgeschlagene Methode, die ich jedoch an einigen Stellen erweitert und angepasst habe. Eine ausführlichere Betrachtung des DCF habe ich in meinem Video zu OHBs Zahlen untergebracht.
In meinem berechneten Case habe ich die vom Vorstand in Aussicht gestellten Umsätze, EBITDA und EBIT bis 2025 als base case angenommen, da sie zwar ambitioniert, aber nicht völlig aus der Luft gegriffen sind. In der zweiten Phase von 2027 bis 2037 rechne ich mit schwächerem Umsatzwachstum und im Schnitt ein Wachsen auf dem Niveau, das Euroconsult in seinem Space Economy Report 2021 dem gesamten Aerospacemarkt bescheinigt. Bei dem Continuing value, rechne ich mit 1,5% Steigerung des Netto-Operativem-Gewinn nach Steuern (NOPAT).
Um dem steigenden Anteil von digitalen Dienstleistungen im Konzern gerecht zu werden, habe ich im Vergleich zum 7-Jahreschnitt leicht sinkende Kosten bei den Cost-of-Goods-Sold (COGS) und SG&A angenommen.

Aufgrund des nicht gerade geringen Debt-Anteil von OHB in der Bilanz, ergibt sich beim den WACC für mich ein Prozentsatz in Höhe von 5,7 %.. Ich weiß, dass viele Investorinnen und Investoren hier grundsätzlich mit 7,5 bis 8 % rechnen, was nochmal eine zusätzliche Margin of Safety darstellt, jedoch verklärt es meines Erachtens auch häufig den Blick auf die Chancen. Deswegen berechne ich den Value per Share hier einmal mit den von mir berechneten WACC (links im Bild) und einmal mit den 8% (rechts im Bild), um einen Kurskorridor abzubilden.

Je nach Annahme ergibt sich also ein fairer Wert in Höhe von 61 bis 116 Euro. Da ich schon förmlich spüre wie die Augenbrauen vor den heimischen Bildschirmen nach oben gezogen werden, hier nochmal einige Worte zur Klarstellung.
Diese DCF-Analyse unterstellt, dass die Ziele des Vorstands 1 zu 1 umgesetzt werden und man danach mit leicht fallenden Umsätzen, aber nachhaltiger Profitabilität an den Erfolg anknüpfen kann. Zudem, dass die Kapitalkosten auf Dauer gleich sind, was gerade bei momentan steigenden Zinsen unwahrscheinlich ist. Daher ist sowieso immer sinnvoll einen Erwartungskorridor abzustecken, der auch mit höheren WACC und geringeren Umsätzen rechnet. Eine DCF-Analyse hat meinem Empfinden dennoch immer ihre Daseinsberechtigung, da sie zumindest einen objektiven Ansatz in reine Subjektivität bringt. Abseits dessen hat man ein in Kurszielen darstellbares Ergebnis, das gerechtfertigt ist ‘wenn’ die Prognose so eintrifft.
Wie gesagt: In meinem Video gehe ich noch näher darauf ein.
Fazit
Trotz meiner anfänglichen Verärgerung angesichts der nicht erreichten Umsatzziele, war ich letztlich doch sehr angetan von dem was ich bei OHB sehe. Den Fokus auf reine Umsatzsteigerung habe ich zum Glück schon früh abgelegt und sehe das Unternehmen bestens dafür gerüstet dauerhaft Returns im Bereich von über 10% zu erzielen und damit in deutlich höhere Kursgefilde vorzustoßen. Auch abseits der operativen Betrachtung, kann ich mir durchaus vorstellen, dass in nicht allzu ferner Zukunft ein Run auf Space-Aktien stattfinden könnte. Das ist zwar niemals der Hauptgrund für meine Entscheidungen, aber die Kursgewinne nehme ich natürlich dennoch gerne mit. Ich bleibe auf jeden Fall vorerst an Bord.
Disclosure: Ich bin bereits in OHB investiert.
Meine Buchempfehlungen* für die Discounted Cash Flow Analyse
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