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Die Intel Aktie wird immer mal wieder auf Twitter und diversen Foren als interessante Turnaround-Story gehandelt, die von der zuletzt vorherrschenden Chip-Knappheit profitieren könnte. Und tatsächlich investierte das Unternehmen zuletzt sehr stark, um das Ruder operativ rumzureißen. Das abgelaufene Quartal zeigt jedoch, dass die Probleme durchaus tiefgehend sind und die Unternehmensführung einen fragwürdigen Fokus setzt. Den aus Sicht der Investierten ärgerlichsten Part hebe ich mir dabei für den Schluss auf.
Ein desaströses Jahr - Umsatz und Gewinn stark fallend
Weder die selbst gesetzten noch die Ziele der Analystinnen und Analysten konnte Intel erreichen. Anstatt der erwarteten 0,2 Dollar je Aktie, konnten nur 0,1 Dollar für das abgelaufene Quartal erzielt werden. Beim Umsatz lag man ebenfalls krachend neben den Erwartungen und erzielte 14,04 Milliarden Dollar anstatt der erwarteten 16,27 Milliarden. Auch der Blick auf das Gesamtjahr liefert ein desaströses Bild.
Der Umsatz sank um 20% auf 63 Milliarden, der Gewinn sank um 60% auf 8 Milliarden und der operative Gewinn sank sogar um 88% auf 2,3 Milliarden US-Dollar. Die deutliche Differenz zwischen Operating und Net Income ergibt sich aus dem Verkauf der Anteile von McAfee im vergangenen Jahr. Das sollte unbedingt beachtet werden, wenn man sich nur das Net Income anschaut, da dies keinen wiederholbaren Effekt darstellt.

Auch für das kommende Quartal sind die Aussichten alles andere als rosig. Zum Vergleich habe ich hier die Zahlen aus dem erste Quartal 2022 gegenüber gestellt. Über das Q1 hinaus gibt es keine Guidance. Tendenziell auch kein Zeichen von verlässlichen Ergebnissen in der Zukunft. Selbst wenn wir vom oberen Ende der Guidance ausgehen, fällt der Umsatz um 37,5% auf 11,5 Milliarden. Der Gewinn rutscht deutlich von knapp 2 Dollar in den negativen Bereich mit minus 0,8 Dollar je Aktie und dabei gibt es sogar noch einen Sondereffekt zu bedenken.
Intel hat die Abschreibungsdauer von Produktionsmaschinen und bestimmtem Equipment von 5 auf 8 Jahre erhöht. Dagegen ist auch nichts zu sagen, wenn die Maschinen tatsächlich so lange halten. Etwas ähnliches haben wir unlängst bei Amazons Servern gesehen. Es hat jedoch kurz- bis mittelfristig einen stark positiven Effekt auf die ausgewiesenen Kosten, da sich die Abschreibungen auf einen größeren Zeitraum verteilen. Im Jahr 2023 ist von einem positiven Effekt von ca. 4,2 Milliarden Dollar auszugehen. Der operative Gewinn erhöht sich in Q1 durch die geringeren Abschreibungen um ca. 0,07 bis 0,1 Dollar je Aktie. Wie gesagt: Dagegen spricht nichts, es sollte jedoch bedacht werden, wenn wir Ende 2023 auf das angekündigte Kostensparprogramm schauen. CEO und CFO betonten jedoch im Earnings Call explizit, dass die angekündigten Sparmaßnahmen unabhängig von diesem Effekt gelten.

Mögliche Gründe für die negative Entwicklung
Wenn wir aus dem sehr ausführlichen Call eine Sache besonders mitnehmen durften, die aus Sicht des Vorstands für die schlechte operative Entwicklung spricht, dann ist es wohl die makroökonomische Situation. Das ist auch durchaus ein wesentlicher Aspekt, aber wenn wir uns mit dieser Erklärung abfinden, greift das hinsichtlich der tiefergehenden Probleme von Intel zu kurz. Das Unternehmen ist zwar tatsächlich ein ‘Opfer’ des Bullwhip Effekts. Die Abnehmer von Intels Produkten haben nach wie vor große Bestände, die sie aufgrund der vergangenen Engpässe angelegt hatten und nun immer noch abbauen. Nach Ansicht von CEO Pat Gelsinger soll sich das Bild dahingehend im Laufe des Jahres auflockern, was auch durchaus wahrscheinlich ist, da sich der Effekt dann abschwächen müsste.
Intel hatte in den vergangenen Jahren aber durchaus auch mit anderen Problemen zu kämpfen. In erster Linie, dass ihnen die augenscheinlichen Emporkömmlinge die Butter vom Brot nehmen und nahmen. Nach über 10 Jahre andauernder Dominanz über AMD im CPU-Bereich, nagte der damals zumindest nach Market cap deutlich kleiner Konkurrent zunehmend an Intels Stück vom Kuchen. In einem Gesamtmarkt, der nicht mehr rasant wächst, ist das für den Marktführer besonders schmerzhaft. Es gibt Anzeichen dafür, dass Intel hier das Ruder herumreißen kann, aber ich halte mich gerade im technischen Bereich an das, was ich konkret als Ergebnis in den Büchern sehe und das ist bei Intel momentan noch nicht sonderlich vielversprechend.

Doch wie die der Merrill Lynch Analyst richtigerweise anmerkte, ist der CPU-Markt nicht der einzige, bei dem Intel arge Probleme bekommt. Auch im Data Center Bereich verliere man deutlich Marktanteile an die Konkurrenz und das sei seiner Ansicht ungewöhnlich und passiere nur wenn der Marktführer wirklich Mist baut (“messes up”). Auch hier ist AMD tatsächlich gewaltig auf dem Vormarsch, während Intel weiter Verluste hinnehmen musste. Laut Gelsinger gäbe es starke Anzeichen dafür, dass die neuen Prozessoren “Sapphire Rapids” das ändern werden, aber auch da halte ich es wie gewohnt: Ich warte bis ich es in den Zahlen sehe und dort manifestiert sich bislang nur das Problem von Intel.

Allgemein ergibt sich ein hässliches Bild, wenn wir auf die einzelnen Segmente schauen. In den umsatzstarken Segmenten gibt es durchweg stark fallende oder stagnierende Umsätze. Nur das vor kurzem an die Börse zurückgekehrte Mobileye, konnte sowohl mit starkem Umsatzwachstum als auch Operating Income überzeugen.

Nettoverschuldung steigt - Free Cash Flow negativ - Dividende wird beibehalten
Mit gewohnt großer Bewunderung durfte ich auf Twitter die Freude darüber vernehmen, dass Intel trotz des schlechten Quartals die Dividende auf dem gleichen Level belässt wie in den Vorquartalen. 0,365 Dollar je Aktie sollen an die Investierten ausgeschüttet werden. Ich weiß ja, dass es ein schönes Gefühl ist das quasi leistungslose Einkommen auf das Konto gezahlt zu bekommen, aber gerade bei Intel sollten wir doch genauer hinschauen. Wenn die Dividenden auf diesem Level bleiben, reden wir von einem Cash Outflow von 6 Milliarden Dollar für das Gesamtjahr. Kann sich das Unternehmen diese Ausschüttung in der momentanen Situation guten Gewissens erlauben? Ich denke nicht.
Zunächst einmal können wir feststellen, dass Intel nettoverschuldet ist. Cash und Short-term investments in Höhe von knapp 28 Milliarden, stehen Schulden von knapp 42 Milliarden gegenüber. Eine Dividende verbietet sich meinem Empfinden nach angesichts dessen nicht, wenn das Unternehmen einen positiven Free Cash Flow erzielt und das Kapital nicht operativ verwerten kann. Eben das ist aber nicht der Fall.

Zur Berechnung des Free Cash Flows nehme ich den ausgewiesenen operativen Cash Flow als Grundlage und bereinige um die Bewegungen im Working Capital und die Share-based compensations. Beides ist nicht gänzlich unstrittig, aber da der Free Cash Flow keine GAAP-Größe ist, also keinen strengen Standards unterliegt, halte ich es für unerlässlich die Zahlen zu bereinigen, damit sie für Investierte aussagekräftig sind. Zu den SBC hatte ich schon mal einen ausführlichen Blogbeitrag geschrieben. So ergibt sich jedenfalls ein operativer Cash Flow von 16,8 Milliarden für das Gesamtjahr. Nach Abzug der CapEx und Payments on finance leases, ergibt sich ein negativer Free Cash Flow von 8,4 Milliarden für das Jahr 2022. Dem gegenüber steht ein Enterprise Value von ca. 130 Milliarden.
Gemessen an den Aussagen von CEO und CFO ist auch für das Gesamtjahr 2023 nicht mit einem verlässlich positiven Free Cash Flow zu rechnen. Ist es angesichts dessen vertretbar noch zusätzlich 6 Milliarden ‘ohne Not’ aus dem Unternehmen zu entfernen, während die Ausschüttung über Schulden finanziert wird und gleichzeitig das Tafelsilber veräußert wird? Die Investitionen werden dem Vernehmen nach auch weiterhin deutlich über den Abschreibungen liegen. Operativ benötigtes Kapital sollte im Unternehmen bleiben. Das ist meine feste Überzeugung. Übrigens auch sehr zuvorkommend von den Executives im Jahresvergleich die SBC um 50% zu erhöhen. Ist vielleicht auch nicht das schönste Signal an die Investierten.
Auf die Ausschüttung angesprochen sagte CFO Zinsner, dass man auch weiterhin eine angemessene Dividende ausschütten werde und sehr darauf bedacht sei, dass Kapital im Sinne der Investierten zu verwerten.
Zugutehalten sollte man Intel, dass sie durchaus sehr stark in Wachstum investieren. Die Investitionen liegen deutlich über den Abschreibungen. Sowohl in Forschung als auch Ausbau der Produktionskapazität fließen hohe Milliardenbeträge. Von einer Schockstarre kann bei dem Unternehmen folglich nicht gesprochen werden.

Fazit
Ich bin ja immer versucht Licht und Schatten gleichermaßen zu beleuchten. Bei Intel fällt es mir schwer auf der Lichtseite etwas zu finden. Das Unternehmen verliert Marktanteile, muss weiterhin stark investieren, macht Schulden um die Dividende zu bezahlen und das in einem steigenden Zinsumfeld. Es ist abzusehen, dass der Rest des Jahres nicht ganz so düster ausfallen wird wie das Q1, aber es sind nicht allein die makroökonomischen Gegebenheiten, die Intel zu schaffen machen. Das wird deutlich beim Blick auf die Peers, die deutlich besser durch die momentane Situation kommen. Intels Produkte sind ganz offenbar nicht konkurrenzlos und die Kapitalallokation angesichts eines negativen Free Cash Flows bietet meinem Empfinden nach Anlass zur Kritik. Für ein Turnaround-Play ist das Unternehmen aus meiner Sicht nicht attraktiv genug bepreist, daher halte ich Abstand von der Aktie. Ob die Dividende beibehalten werden kann, bleibt zudem fraglich.
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