Inhaltsverzeichnis
Nachdem für die HelloFresh Aktie am 20. Juli die vorläufigen Q2-Zahlen veröffentlicht und zudem der Ausblick für das laufende Jahr aktualisiert wurde, entwich wieder jegliche aufkeimende Euphorie aus dem Aktienkurs. Das Unternehmen konnte zwar die Prognosen für das zweite Quartal übertreffen, reduzierte jedoch die Guidance für das Gesamtjahr 2022. Wie so oft war es hilfreich die Veröffentlichung der endgültigen Zahlen und den anschließenden Earnings Call abzuwarten, der wiederholt meinen Investment Case bestätigt hat. Ich habe gleich mehrere Punkte im Gepäck, die Investierte meiner Ansicht nach teilweise aufatmen lassen können, aber auch mindestens einen, der mich dauerhaft kritisch stimmt. Außerdem liefere ich ein Update zu meiner DCF-Analyse.
Schaut dazu auch gerne mein Video:
Ergebnis über den Erwartungen
Wenngleich HelloFresh die Prognose für das Gesamtjahr kassierte, so waren die bereist de facto vorliegenden Zahlen durchaus beeindruckend. Anstatt der erwarteten 1,91 Milliarden, erzielte HelloFresh einen Umsatz von 1,96 Milliarden Euro. Ein Wachstum von 25,9% im Jahresvergleich. Hierbei sollte vor allem bedacht werden, dass das Q2 – 2021 noch von Corona-Maßnahmen geprägt war, die für augenscheinliche Sonderkonjunktur bei dem Unternehmen gesorgt haben. Während viele andere kleine wie große E-Commerce-Unternehmen mit fallenden oder stagnierenden Umsätzen zu kämpfen hatten, konnte die HelloFresh Aktie hier nochmal ein Ausrufezeichen setzen.
Der Umsatz ist es jedoch in der Regel auch nicht, der für Skepsis seitens der Investierten sorgt, sondern eher die Frage danach wie man diesen erreicht und was das aus der Marge macht. Beim Adjusted EBITDA konnte HelloFresh jedoch ebenfalls abliefern und 146 Millionen Euro erzielen. Ein Ergebnis, das deutlich über den Erwartungen von 133 Millionen lag, aber einen Rückgang gegenüber dem Vorjahr darstellte. Auf die Gründe hierfür gehe ich später noch ein.
Was bei der Vorabveröffentlichung nicht nur für mich einen kleiner Schocker darstellte, war der deutliche Rückgang der aktiven Kundinnen und Kunden. Im Q1 waren es noch etwas mehr als 8,5 Millionen, in Q2 nur noch 8 Millionen. Ein deutlich stärkerer Rückgang als die im Q1 Earnings Call vom Vorstand erwarteten 100.000 – 300.000. Dabei war ich gar nicht so sehr von der Zahl an sich irritiert, sondern eher davon, dass sich der Vorstand im bereits angelaufenen Q2 so sehr verschätzte. Bislang war immer viel Verlass auf die Prognosen von CEO Dominik Richter und CFO Christian Gärtner, die immer sehr datengestützt argumentieren.
Sehr auffällig ist wie sehr das “International” und “USA”-Segment ergebnisseitig auseinander fallen, obwohl die Anzahl der aktiven Kundinnen und Kunden jeweils bei ungefähr 4 Millionen lag. Während in den USA sowohl der Umsatz ‘als auch’ das Adjusted EBITDA im Jahresvergleich (YoY) deutlich gesteigert werden konnte, wurden bei den übrigen Ländern vergleichsweise leichte Umsatzsteigerungen erzielt und das Adjusted EBITDA ging um 24,5% zurück. Eben die Gründe dafür sollte man sich als Aktionär oder Aktionärin sehr gut anschauen.

Kochboxen sind unnötiger Ballast. Wirklich?
Schaut man in so manches Börsenforum, dann trifft man immer wieder auf Bedenken und Kritik, dass die HelloFresh Aktie die Inflationsauswirkungen besonders zu spüren bekommen werde, da die Kochboxen und anderen Produkte eher einen Luxusartikel darstellen, den sich Kundinnen und Kunden nicht mehr leisten oder schlicht die Notwendigkeit angesichts einer Welt ohne Lockdowns nicht mehr sehen wollen. Die Beurteilung dessen ist keine eindimensionale Betrachtung, aber die verschiedenen Facetten und Indikatoren zeigen gegebenenfalls die Stärken und Schwächen des Unternehmens.
Contribution Margin - Preissteigerungen können weitergegeben werden
Da wäre zunächst die Frage wie gut HelloFresh Preissteigerungen bei dem Einkauf und Ausliefern der Produkte weitergeben kann. Nahrungsmittel wiesen zuletzt hohe Preissteigerungen auf, während zudem die höheren Lohn- und Spritkosten vielen Unternehmen zu schaffen machten und unter diesen gerade jene mit eigenen Lieferflotten, was auf HelloFresh schon in manchen Ländern zutrifft.
Was beim Blick auf die Umsatzsteigerungen in Relation zu den Procurement (Beschaffungskosten) und Fulfilment Expenses auffällt ist, dass diese in etwa gleichem Maße gewachsen sind. Offenbar ist hier also rein mit dem Blick auf die Contribution margin kein Inflationsdruck entstanden und die Preissteigerungen, die man tatsächlich erfahren hat, konnten weitergegeben werden. Laut CFO Gärtner hätte man auf der Beschaffungsseite weniger hohe Kosten gehabt, weil sie für jedes Produkt mehrere Zulieferer haben, auf die sie zurückgreifen. Somit liegt also keine Preissetzungsmacht bei einzelnen Zulieferern und HelloFresh teilt sich mit diesen die gesteigerten Kosten anstatt sie vollständig zu schlucken. Ein weiterer Punkt, den Gärtner anführte ist, dass sie anhand ihrer gesammelten Daten erkennen welche Rezepte Kundinnen und Kunden sehr mögen, aber auf der anderen Seite nicht zu sehr von der Inflation betroffen sind. Das heißt sehr verkürzt gesagt, dass man billigere Rezepte zum gleichen Preis wie immer an die Kunden übermittelt und diese das im Regelfall gar nicht merken. Weil ich dafür sensibilisiert bin, fiel mir auf, dass in letzter Zeit keine Avocado-Gerichte mehr offeriert wurden, aber das kommt mir sehr recht, da ich sowieso einen Bogen darum mache. Hier sollten wirklich auch mal Kritiker anerkennen wie vorteilhaft diese Sonderstellung von HelloFresh ist. Das Unternehmen bestimmt, was auf den Teller kommt und die Kundinnen und Kunden merken es teils gar nicht.
Gärtner konnte zudem eine Erklärung für die nahezu gleich gebliebenen Fulfilment-Kosten liefern. Obwohl die Spritkosten deutlich angestiegen sind, konnten die in Q1 in Aussicht gestellten Produktivitätssteigerungen diesen Effekt nahezu neutralisieren. Im internationalen Segment wies er zudem darauf hin, dass man sich in Italien und Japan noch in der Ramp-up-Phase befinde, was zusätzlich für Margendruck gesorgt hat, der auf Dauer wegfallen wird.

Buchempfehlung für Einsteiger*:
Was CEO Richter auch noch hinsichtlich der Bruttomarge bzw. Contribution margin erwähnte war, dass sie Preissteigerungen nur sehr vorsichtig und datengestützt an die Kunden weitergeben, sprich die bereits zu erkennenden Steigerungen bei den Preisen sind nur der Anfang und werden nun nach und nach an die gesamte Kundschaft weitergegeben. Neukunden erhalten von Anfang an höhere Preise.
Welchen erheblichen Einfluss, dass kurz- bis mittelfristig auf die Umsätze haben könnte, zeigt sich beim Vergleich zwischen USA und International. Hier fallen zunächst die deutlich höheren durchschnittlichen Warenkorbwerte (AVO) in den USA auf (ich beziehe mich hier auf den constant currency Wert, um die aktuellen Währungsschwankungen durch den starken Dollar zu neutralisieren). Eine Analystin fragte dann dankenswerter Weise genau das, was ich in dieser Hinsicht auch gefragt hätte: Wie sich die allgemein höheren Warenkorbwerte zusammensetzen. CFO Gärtner sagte daraufhin, dass etwa die Hälfte davon auf höhere Preise, vor allem in den USA, zurückzuführen sei. Zweitgrößter Aspekt seien mehr Gerichte pro Bestellung, was zeigt, dass die Annahme aus dem letzten Call, dass sich mehr Auswahl auch auf die bestellten Gerichte auswirkt, richtig war. Drittgrößter Aspekt seien dann Addons und HelloFresh-Market, bei denen ausgewählte Lebensmittel zu den Kochboxen dazu bestellt werden können.
HelloFresh hat also offenbar die Möglichkeit Preissteigerungen auf verschiedene Weise zu managen oder an die Kundinnen und Kunden weiterzugeben. Das zeigt sich an dem YoY-Vergleich der aktiven Abos in Kombination mit erhöhten Preisen.

Kunden bestellen genauso viel wie zuvor
Beim Blick auf die Bestellungen je Kunde fällt auf, dass Corona auch hier offenbar nicht der alleinige Treiber war oder zumindest nicht mehr ist. Auf Gruppenebene sind die Bestellungen je Kunde bei einem konstanten Wert von 4 Bestellungen je Quartal und aktivem Abo. Als solches wertet HelloFresh die Kundinnen und Kunden, die mindestens einmal im Quartal bestellt haben.
Das trifft auch auf neu gewonnene Kunden zu, die nach wie vor bessere Orderraten zeigen als in der Prä-Covid-Phase. In Relation zu 2019 spielt meinem Empfinden nach die deutlich größere Auswahl an Rezepten ebenfalls eine Rolle. Meine Frau und ich bestellen eigentlich nur dann bei Hellofresh, wenn wir viele neue Rezepte zur Auswahl bekommen und eben das hat sich deutlich gebessert, ohne dass Quantität vor Qualität geht. 30% mehr Rezepte seien es laut Richter bis zum Jahresende.

Stärker als erwarteter Rückgang der aktiven Kundinnen und Kunden
Kritischen Geistern wird bei der Argumentation bis hierhin ein Gedanke die ganze Zeit durch den Kopf gegangen sein: “Alles schön und gut, aber warum sind die aktiven Abos dann stärker zurückgegangen als erwartet?” Eben das ist die kritische Frage mit der ich auch gedanklich in den Earnings Call gegangen bin. Rückgänge vom ersten auf das zweite Quartal sind unter normalen Umständen, sprich nicht Corona-geprägt, nicht ungewöhnlich, aber der Rückgang war wie bereits erwähnt deutlich höher als vom Vorstand erwartet.
Laut Dominik Richter sei die Kundenaktivität bei den bestehenden Kundinnen und Kunden tendenziell besser als erwartet gewesen, bei den neuen dagegen deutlich schlechter. Bestehende Abonnements würden ähnlich selten oder sogar seltener gekündigt werden als zu Corona-Zeiten. Einmal gewonnene Kunden bleiben dem Unternehmen also tendenziell auch langfristig erhalten. Dafür seien auch die deutlich bessere Qualität verantwortlich, da man nun keine Kapazitätsengpässe mehr habe. Nachdem ich mich bei meinem letzten Artikel noch beschwerte, kann ich das ebenfalls bestätigen. In den aktuellen Boxen hat nichts gefehlt und die Qualität war makellos.

CEO Richter sieht die Vielzahl an Personen, die dieses Jahr wieder reisten als Grund für den stärker als erwarteten Rückgang der aktiven Kundinnen und Kunden. Darauf stützt er sich auf die Daten von Reiseunternehmen und die damit korrelierenden Pausierungen der Bestellungen im Mai, Juni und Juli. Als aktive Kunden werden wie gesagt, die Kunden definiert, die mindestens einmal im Quartal eine Box bestellt haben. Folglich kann Richter hier nicht die Abos gemeint haben, die auf dem ‘Weg’ von Q1 zu Q2 verloren gegangen sind, sondern dass nicht genügend neue Kunden dazu gekommen sind, um diesen Weggang auszugleichen. Andernfalls ergäbe die Aussage keinen Sinn für mich. Leider wurde an dieser Stelle nicht seitens der Analystinnen und Analysten nachgehakt, jedoch korrespondiert die Aussage von Gärtner, dass man aufgrund der holiday season nicht genügend Potential für ‘noch’ mehr Marketing gesehen hat, mit dieser Interpretation. Wirklich adressiert fühlt sich der Rückgang der aktiven Kundinnen und Kunden aber nicht für mich an. Von den ersten 6 Wochen des Q3 sei man aber vorsichtig optimistisch gestimmt laut Richter.
Abseits dessen bin ich erneut sehr angetan davon, dass die Executives von HelloFresh nicht einfach nur behaupten, sondern immer entsprechende Daten bzw. Metriken im Gepäck haben, die ihre Punkte untermauern können.
Dauerthema Marketing
Wenn ich die kritischen Stimmen an einer Stelle besonders gut verstehen kann, dann sind es die Marketingausgaben. Nach dem Q1-Call hatte ich schon etwas Besorgnis geäußert, dass der Vorstand entgegen der ursprünglichen Ankündigung im Q2 bei einem hohen Marketinganteil bleiben möchte. Aus heutiger Sicht waren die Sorgen offenbar nicht ganz ungerechtfertigt. Wie wir gesehen haben gelingt es HelloFresh die Kosten auf der Beschaffungsseite bzw. dem Fulfilment relativ konstant zu halten. Bei den Marketingkosten sind dagegen nicht nur quartalsweise Schwankungen zu erkennen. Für mich sind sie nach wie vor der stärkste und am schnellsten wirkende Hebel bei der Marge und eben deswegen schaue ich hier besonders hin.
Der Vorstand verweist immer wieder gerne auf den langfristigen Abwärtstrend bei den Marketingkosten. Der ist Corona-bereinigt zwar durchaus vorhanden, aber ich finde den Verweis nicht unproblematisch, da eben die hohen Marketingausgaben in den Jahren vor Corona zu einem wesentlichen Teil dafür verantwortlich waren, dass HelloFresh nicht profitabel war. Besser als ‘schlecht’ ist eben noch nicht ‘gut’.

Gärtner argumentierte aus meiner Sicht aber auch durchaus nachvollziehbar. Schließlich habe man mit Italien und Japan zwei große Länder und neue Marken in bestehenden Märkten hinzugenommen, die gerade zu Beginn für hohe Marketingkosten sorgen. Grundsätzlich sehen sie einen sehr hohen Return auf die Marketingausgaben. Dahingehend verwies er ebenfalls nochmal auf die retention rate, die Richter bereits positiv hervorhob.
Den Abwärtstrend sieht Gärtner weiterhin in Takt und verweist darauf, dass das Q4 das erste Quartal seit Corona-Beginn wäre, dass sich für einen YoY-Vergleich eigne, da dort de facto keine Corona-Maßnahmen mehr aktiv waren. Ich nehme ihn hier beim Wort und bin sehr gespannt auf das Q4.
Marge und Free Cash Flow
Ich erwähne immer gerne wieder, dass die Marge, die HelloFresh primär kommuniziert, eigentlich irreführend ist. Bei der AEBITDA-Marge werden Komponenten herausgerechnet, um aus Sicht des Unternehmen eine aussagekräftigere Zahl zu erhalten. Das sind bei HelloFresh in erster Linie die share-based compensation, also die aktienbasierte Vergütung. Warum sie de facto Kosten sind, habe ich in einem ausführlichen Blog-Artikel dargestellt. Allgemein bin ich kein Freund dieses ‘Berechnungsservices’, daher rechne ich mir immer selbst die aus meiner Sicht aussagekräftigen Zahlen aus, um so die Vergleichbarkeit mit anderen Unternehmen zu gewährleisten und keinen Fehlschlüssen zu unterliegen.
Bei den “Special items” stimme ich dem Unternehmen aber zu. Diese scheinen tatsächlich eher “one-off” zu sein, also nicht wiederkehrend, da sie im Zusammenhang mit einer (mutmaßlich) zeitlich begrenzten Vergütung für das Management der übernommenen Unternehmen Factor und Youfoodz stehen. Wenn wir um diese Komponenten bereinigen erhalten wir ein aussagekräftigeres Bild über die nachhaltige Ertragskraft des Unternehmens. Eben das sollten wir dann bei allen Unternehmen gleich handhaben, um das Bild nicht selbst zu verfälschen.

Ebenso behandele ich den Free Cash Flow, den das Unternehmen mit -34,4 Millionen Euro für das erste Halbjahr ausweist. Hier werden jedoch ebenfalls nicht die stock-based compensations einbezogen und andere Komponenten einbezogen, die der Vergleichbarkeit meinem Empfinden nach schaden. Bei meiner eigenen Berechnung komme ich für das erste Halbjahr auf einen FCF von -65,7 Millionen im Vergleich zu 225,2 Millionen im Vorjahr. Dabei sollte jedoch beachtet werden, dass HelloFresh viel mehr investiert hat und viel höhere Steuerzahlungen (105,6 Millionen anstatt von 47,6) hatte. Gemessen daran erscheint mir der Free Cash Flow nicht bedenklich, wenngleich er auch nicht für Freudensprünge sorgt. Zu der Entwicklung des FCF sagte der Vorstand dann aber auch noch etwas bei der Guidance für das nächste Jahr.

Buchempfehlung für weit Fortgeschrittene*:
Guidance
An einer Stelle im Call musste ich dann doch sogar etwas mehr als Schmunzeln und zwar als Dominik Richter sagte, dass aus ihrer Sicht die Reduzierung der Guidance für das laufende Jahr eigentlich ein “Non-Event” war. Dominik Richter hat offenbar in seinem ganzen Leben noch in kein einziges Börsenforum geschaut. Weder national noch international. Denn in allen Foren, in denen ich mitlese oder aktiv bin, gingen die Investierten ‘eher’ von einer Prognoseerhöhung als Reduzierung aus, was in Einklang mit den sehr konservativen Prognosen in der Vergangenheit gewesen wäre. Heute wollen davon viele meiner Aktionärskolleginnen und -kollegen nichts mehr wissen und sagen es sei ja zu erwarten gewesen. Ganz ehrlich: Man muss sich auch nicht alles schönreden. Ja, es wäre ohne die Historie hinsichtlich Prognosen zu erwarten gewesen, aber bei HelloFresh war es doch sehr untypisch. Ich selbst habe auch nicht mit einer Senkung gerechnet, da ich ihm Subtext des Q1-Calls herausgehört hatte, dass der Start in Q2 offenbar ganz gut war und die Prognose eher tief gestapelt war. Eben das deckt sich mit den Aussagen von Dominik Richter im Q2-Call, dass es vor allem die zweite Hälfte des Q2 war, die schlechter als erwartet lief. Er sagte zudem, dass man die Kommunikation vermasselt hätte (wörtlich “screwed up”) und einige einordnende Kommentar gefehlt haben, um zu verpacken, dass es keine dramatische Senkung sei. Offen gestanden überrascht mich das und ich weiß nicht ob ich das so ganz ernst nehmen soll. Mir war wirklich zu 100% klar welche Auswirkungen diese Meldung haben wird.
Abseits dessen stellte Richter für Q3 einen Rückgang der aktiven Kundinnen und Kunden in Aussicht, was aber vollkommen üblich bei HelloFresh ist. Im Vorjahresvergleich soll das Kundenwachstum für Q3 und Q4 prozentual höher als in Q2 ausfallen. Zum Vergleich: Im Q3-2021 waren es 6,94 Millionen aktive Kundinnen und Kunden, in Q4 7,22 Millionen. Da das Wachstum YoY höher ausfallen soll, dürfen wir folglich ‘mindestens’ von 7,3 Millionen aktiven Abos rechnen, aber ich gehe davon aus, dass es deutlich mehr werden.
Hinsichtlich Umsatz und AEBITDA bestätigte das Unternehmen die korrigierte Guidance von 18-23% Umsatzwachstum bei konstanten Wechselkursen und 460-530 Millionen Euro. AEBITDA. Richter sagte auch, dass dadurch noch gute Chancen bestehen in die ehemalige Guidance hineinzuwachsen.

Hinsichtlich der Contribution margin stellte Richter ebenfalls die typische Saisonalität für Q3 in Aussicht, bei der sich durch die geringe Anzahl an aktiven Abos das negative operating leverage bemerkbar macht. Ab Q4 wird dieser Effekt dann wieder umgekehrt.
Hinsichtlich des Operating Cash Flows sagte CFO Gärtner, dass dieser ab dem nächsten Jahr und in den darauffolgenden Jahren die Investitionsausgaben und äquivalenten lease payments übersteigen sollen. Es gibt dann folglich nach Definition des Unternehmens wieder einen Free Cash Flow. Bei der AEBITDA-margin stellte er sowohl eine prozentuale als auch absolute Verbesserung in Aussicht.
Auf die Frage der Credit Suisse Analystin Victoria Petrova wie sich die mittelfristige Guidance in Höhe von 10 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2025 zusammensetze, antwortete Richter, dass “Market”, das Ready-to-eat-Segment und die Marken, die man in verschiedenen Regionen dazu einen wesentlichen Beitrag leisten werden.
Update DCF-Analyse
Mit meiner ersten Discounted Cash Flow Analyse Anfang April hatte ich mir nicht nur Freunde gemacht, da ich den fairen Wert für HelloFresh Aktie anhand der Berechnung bei 38-42 Euro sah, was vielen zu pessimistisch erschien. Mittlerweile würde man mich anhand dessen wohl eher als unverbesserlichen Optimisten bezeichnen. Ein guter Zeitpunkt, die neue Guidance, aber auch die gestiegenen Zinssätze in die Bewertung einfließen zu lassen. Dafür habe ich einen Bear, Base und Bull Case erstellt. Zudem habe ich die Berechnung so angepasst, dass sie von einem konstanten Gearing durch Ausschüttungen von Excess Cash ausgeht, was tatsächlich auch für die 5 vorangegangenen Jahre bei der HelloFresh Aktie sehr gut funktioniert und Unsauberkeiten hinsichtlich Tax shield beseitigt. Im Bull Case habe ich übrigens auch nur maximal die Marge von 10% angenommen und habe ich mich allgemein nicht über die mittelfristige Guidance hinweggesetzt.
Für die Berechnung habe ich das in Aussicht gestellte Constant currency growth (18-23%) als Grundlage genommen, da es die einzige Zahl ist, die uns vom Vorstand zur Verfügung gestellt wurde und ich keine weitere Unsauberkeit durch Anpassungen in dieser Hinsicht reinbringen wollte, auch wenn es für dieses Jahr wahrscheinlich zu niedrig angesetzt ist.
Im Video gehe ich noch deutlich genauer auf die einzelnen Aspekte ein.

Buchempfehlung für sehr weit Fortgeschrittene*:
Grundsätzlich bin ich auch aufgrund meiner Berechnung der Ansicht, dass die Aktie mit dem momentanen Kurs von um die 30,- € nicht völlig jenseits der Realität bepreist ist. Eben das spiegelt sich auch in meinen Nachkäufen wieder. Bei Kursen über 40,- € in den letzten 3-4 Jahren habe ich ein einziges Mal nachgekauft, weil mir der Kurs deutlich zu hoch erschien. Darunter gleich mehrfach.

Fazit
Nach wie vor ist der HelloFresh Earnings Call, der für mich, der am meisten Mehrwert liefert. Der Vorstand leiert nicht das herunter, was sowieso schon im Quarterly Report steht, sondern liefert echten Mehrwert mit den Daten, die sie uns zur Verfügung stellen. Auch die Fragen der Analystinnen und Analysten sind in der Regel auf den Punkt und behandeln genau die Lücken, in den Erzählungen des Vorstands, die auch meiner Ansicht noch offen bleiben.
Wenn ich auch von der Prognosesenkung nicht begeistert war, so bin ich mittlerweile doch überzeugt, dass es HelloFresh mit dem nötigen Feingefühl tatsächlich gelingt Preissteigerungen sehr gut weiterzugeben. Offene Fragen sind die Gründe für den erheblichen Rückgang bei den aktiven Abos, aber auch vor allem die Marketingkosten. Diese wurden im Q4-Call niedriger für Q2 angesetzt, waren aber nun sehr hoch. Ich nehme den Vorstand hier beim Wort und werde besonders auf das Q4 diesen Jahres einen kritischen Blick werfen. Insgesamt bin ich jedoch nach wie vor sehr bullish eingestellt, was den weiteren Verlauf der HelloFresh Aktie angeht.
Disclosure: Ich bin bei HelloFresh investiert.
Meine Buchempfehlungen* für die Aktienbewertung
Disclaimer: Der Autor übernimmt keinerlei Gewähr für die Aktualität, Korrektheit, Vollständigkeit oder Qualität der bereitgestellten Informationen. Haftungsansprüche gegen den Autor, welche sich auf Schäden materieller oder ideeller Art beziehen, die durch die Nutzung oder Nichtnutzung der dargebotenen Informationen bzw. durch die Nutzung fehlerhafter und unvollständiger Informationen verursacht wurden sind grundsätzlich ausgeschlossen, sofern seitens des Autors kein nachweislich vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verschulden vorliegt. Der Autor behält es sich ausdrücklich vor, Teile der Seiten oder das gesamte Angebot ohne gesonderte Ankündigung zu verändern, zu ergänzen, zu löschen oder die Veröffentlichung zeitweise oder endgültig einzustellen. Die in Blogeinträgen oder sonstigen Online-Publikationen besprochenen Anlageprodukte und Wertpapiere dienen lediglich der Veranschaulichung/Meinung und stellen keine Anlageempfehlung dar. Für etwaige Verluste wird keine Haftung übernommen.
Nachdem HelloFresh am 20. Juli die vorläufigen Q2-Zahlen veröffentliche und zudem den Ausblick für das laufende Jahr aktualisierte, entwich wieder jegliche aufkeimende Euphorie aus dem Aktienkurs. Das Unternehmen konnte zwar die Prognosen für das zweite Quartal übertreffen, reduzierte jedoch die Guidance für das Gesamtjahr 2022. Wie so oft war es hilfreich die Veröffentlichung der endgültigen Zahlen und den anschließenden Earnings Call abzuwarten, der wiederholt meinen Investment Case bestätigt hat. Ich habe gleich mehrere Punkte im Gepäck, die Investierte meiner Ansicht nach teilweise aufatmen lassen können, aber auch mindestens einen, der mich dauerhaft kritisch stimmt. Außerdem liefere ich ein Update zu meiner DCF-Analyse.
Schaut dazu auch gerne mein Video:

Verwandte Beiträge
Kommentar verfassen Antwort abbrechen
Stay connected
Abonniere den Newsletter
Die Schulden der Autohersteller – Warum VW, BMW & Mercedes ‘nicht’ überschuldet sind
Die massive Überschuldung der klassischen Autohersteller ist ein Mythos, der sich nun seit Jahren tapfer hält. Dabei gehen die Unterschiede zu anderen Unternehmen leider allzu oft vergessen.
Stock-Based Compensation – Warum auch aktienbasierte Vergütung den Free Cash Flow reduziert
Betrachtet man die Quartals- und Jahreszahlen von Unternehmen, gewinnt man den Eindruck, dass aktienbasierte Vergütungen für Mitarbeiter keinen Einfluss auf den Free Cash Flow haben. Zunächst erscheint dies schlüssig, aber auf den zweiten Blick ergibt sich ein anderes Bild. Welches das genau ist, erfährst du in diesem Artikel.
Stay connected