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Nicht nur in dem Dank Biontechs Steuerzahlungen nun nahezu schuldenfreien Mainz feiert man den neuen Stern am deutschen Börsenfirmament. Doch trotz rekordverdächtiger Fallzahlen gewinnt man dieser Tage in Gesprächen zunehmend den Eindruck, Corona sei Geschichte und so eventuell auch bald die Erfolgsgeschichte des Unternehmens.
Auch der Aktienkurs legt den Schluss nahe, dass die besten Zeiten für Covid-Impfstoffhersteller vorbei sind. Von den Kursgefilden jenseits der 350,- € hat man sich gehörig entfernt und bewegt sich mittlerweile wieder auf dem Level von April 2021. Vielerorts fragt man sich ob es für Biontech eine Zukunft nach Corona gibt oder ob sich das Unternehmen als Coronaeintagsfliege entpuppt. Wie der Vorstand sich diese Zukunft vorstellt, erfahrt ihr in meiner Zusammenfassung des Webcasts und der Biontech Jahreszahlen.
Wenig überraschender Rekord

Das Biontech im vergangenen Jahr neue Rekorde bei Gewinn und Umsatz eingefahren hat, wird wohl die wenigsten überraschen. Im Gesamtjahr 2020 setzte das Unternehmen gerade mal 482,3 Millionen Euro um und erzielte einen Gewinn von 15,2 Millionen. Mittlerweile stehen stolze 19 Milliarden Euro Umsatz respektive 10,3 Milliarden Gewinn nach Steuern in den Büchern.
CFO Jens Holstein hob im Earnings Call hervor, dass 14,8 Milliarden des Umsatzes auf Anteile des Bruttoumsatzes aus Partnerschaften mit Pfizer und Fosun Pharma und damit zusammenhängende erreichte Meilensteine entfielen. Dabei handelt es sich bereits um den Nettoertrag, sprich 100 % Bruttomarge auf diesen Teil der Umsätze, was folglich auch einen erheblichen Einfluss auf die von Biontech ausgewiesene Gesamtbruttomarge hat.
Auf das 4. Quartal 2021 entfielen dabei 5,5 Milliarden Euro Umsatz und 3,16 Milliarden Gewinn, was sich in einen Gewinn je Aktie von 12,96 € übersetzen lässt. Damit lag man weit über dem Konsens der Analysten, die im Schnitt mit einem Umsatz von 4,57 Milliarden ‘Dollar‘ und Gewinn je Aktie von 8,02 Dollar rechneten.

Ebenso eindrucksvoll ist der aktuelle Cashbestand kombiniert mit den bereits sicheren Erträgen aus Forderungen aus Lieferungen und Leistungen in Höhe von 12,38 Milliarden Euro, sprich die Zahlungen die Biontech seitens der Impfstoffabnehmer für gelieferte Dosen noch zu erhalten hat. Die Diskrepanz zwischen ausgewiesenem Gewinn und tatsächlich zugeflossenem Geld wird besonders deutlich, wenn wir den operativen Cashflow in Höhe von 889,7 Millionen Euro für das Gesamtjahr 2021 im Verhältnis zum erzielten Gewinn von 10,292 ‘Milliarden’ Euro betrachten.
Was bei anderen Unternehmen alarmierend wäre, ist hier eher kein Grund zur Sorge, da letztendlich Staaten die Schuldner von Biontech bzw. Pfizer und damit Zahlungsausfälle sehr unwahrscheinlich sind. CFO Holstein erwähnte im Call, dass man bereits Ende Januar 2022 Zahlungen in Höhe von 4,7 Milliarden für die Pfizer-Umsätze aus dem dritten Quartal erhalten habe und die Zahlungen für das vierte Quartal 2021 im April erhalten werde.
Bei dem Blick in die Bilanz sticht eins besonders hervor: einem Eigenkapital von 11,89 Milliarden Euro stehen Verbindlichkeiten in Höhe von 3,94 Milliarden Euro gegenüber. Damit ist Biontech sehr deutlich schuldenfrei. Hier fällt mir wieder der berühmte Satz von Peter Lynch ein, der zwar banal erscheint, aber in den Köpfen vieler Investorinnen und Investoren nicht verankert ist: Ein Unternehmen ohne Schulden kann nicht pleite gehen.
Guidance für 2022

Wer für das Jahr 2022 stark sinkende Umsätze befürchtete, wird eines besseren belehrt, wenngleich der Umsatzrückgang doch deutlich zu erkennen ist. Zumindest wenn man die von Unternehmensseite in Aussicht gestellten Umsätze für 2022 als gesetzt betrachtet.
Das Unternehmen bestätigte nochmal die bereits im Januar bei der JPMorgan Healthcare Conference veröffentliche Guidance. Zwischen 13 und 17 Milliarden Euro Umsatz erwartet Biontech im laufenden Jahr zu erwirtschaften. Der deutliche Spread zwischen diesen beiden Zahlen verdeutlicht aber schon, dass die Zukunft mit Corona alles andere als Gewiss ist, wie CFO Holstein auch nochmal hervorhob. Die zu erwartenden Umsätze seien von 3 Faktoren abhängig. Neben der Anzahl der ausgelieferten Impfstoffdosen, sei es entscheidend ob man selbst oder einer der Partner, beispielsweise Pfizer, die Dosen verkauft. In Deutschland und der Türkei verkauft Biontech die Dosen selbst und generiert damit höhere Umsätze als bei einem Verkauf an oder über die Partner. Zudem sei es entscheidend in welche Regionen man den Impfstoff verkaufe.
Lieferte man im Jahr 2021 noch ca. 60% der 2,6 Milliarden hergestellten Impfstoffdosen an high-income Staaten, so wolle man laut CEO Uğur Şahin im Jahr 2022 mehr als 2 Milliarden Dosen an lower- and middle-income Staaten ausliefern. Holstein sagte diesbezüglich, dass man in diesen Staaten die Preise der Impfstoffe dem Wohlstandsniveau anpassen oder sogar ohne Gewinnabsicht verkaufen werde. Etwas, das die Investorinnen und Investoren im Kopf behalten sollten bei den zukünftigen Erwartungen.
Der auf die Omikron-Variante angepasste Impfstoff ist laut Biontech-Mitgründerin und CMO Ozlem Tureci in Produktion und man erwarte die Ergebnisse der klinischen Studien bereits im April. Abseits dessen habe man seitens der FDA in den USA die Genehmigung für eine zweite Booster-Dosis für Menschen über 50 Jahren und Kinder über 12 Jahren, die eine Immunschwäche haben.
Die Zukunft nach Corona
Mangelndes Selbstbewusstsein konnte man dem sonst meinem Empfinden nach eher zurückhaltenden Uğur Şahin in diesem Earnings Call nicht unterstellen. Er sieht Biontech bestens dafür gerüstet zum “immunotherapy powerhouse” des 21. Jahrhunderts zu werden. Bei der vollen Pipeline in verschiedensten medizinischen Bereichen mag dies nicht überraschen, wenngleich ich mir immer wieder bewusst machen muss, dass wir hier über ein vor 3 Jahren nahezu nur in Fachkreisen bekanntes Unternehmen sprechen.
Mit den für das Jahr 2022 geplanten Forschungs- und Entwicklungsausgaben in Höhe von 1,4 Milliarden bis 1,5 Milliarden ist Biontech offenbar gut für zukünftige Erfolge in den verschiedenen Forschungsgebieten finanziert.

Schaut man sich die Produkt-Pipeline an, so wird schnell bewusst, dass Corona offenbar nicht das einzige Thema ist, das bei Biontech eine Rolle spielt. Noch im zweiten Halbjahr diesen Jahres sind klinische Studien am Menschen für Impfstoffe gegen Gürtelrose, Tuberkulose, Herpes und Malaria geplant. Onkologische Studien am Menschen laufen bereits. So wurde laut Tureci im Januar der erste Mensch mit BNT141 behandelt.
Dividende und Aktienrückkaufprogramm
Wenn ich die Wörter “Dividende” und “Aktienrückkaufprogramm” lese, dann läuft mir normalerweise immer ein Schauer über den Rücken. Meist ist das ein Anzeichen dafür, dass Unternehmen Kapital nicht sinnvoll operativ, sprich mit einem Return auf das investierte Kapital, verwenden können und daher an die Aktionärinnen und Aktionäre zurückgeben. So wird es auch hier sein, doch selten konnte ich es besser verstehen als in diesem Fall. Mit den bereits im Januar erhaltenen 4,7 Milliarden Euro von Pfizer und den erwarteten Zahlungen im April, schiebt Biontech nach Investitionen und R&D-Ausgaben einen riesigen Cashberg vor sich her, der nur schwer operativ zu verwerten ist. Man muss sich hier nochmal das rasante Wachstum verdeutlichen, das Biontech erfahren hat. Angesichts dessen ist mir eine Ausschüttung oder ein ARP immer noch lieber als eine halbgare Übernahme nach der anderen.
Laut CFO Holstein plane man mit einer Dividende von 2,- Euro je Aktie und einem Aktienrückkaufprogramm in Höhe von 1,5 Milliarden ‘Dollar’ über die nächsten Jahre. Die Anteile sollen im eigenen Bestand für Ansprüche aus aktienbasierten Vergütungsvereinbarungen gehalten werden.
Fazit
Für Biontech habe ich eine meiner eisernen Regeln gebrochen: Keine Investments in Biotech-Unternehmen. Die Gründe für meine Regel wurden mir gerade in dem Biontech-Earnings-Call wieder bewusst. Ich konnte mit 90% der Analystinnen- und Analysten-Fragen nichts anfangen, da sie sehr spezifisch auf die Forschungsergebnisse zukünftiger Therapiemöglichkeiten, Impfstoffe etc. ausgerichtet waren. In diesem Feld bin ich nun mal gar nicht beheimatet und kann daher auch schwer bis gar nicht die potentiellen zukünftigen Cashflows auf Jahre gesehen abschätzen und diskontieren. Etwas was ich grundsätzlich bei all meinen Einzelinvestments mache.
Warum habe ich also dennoch in das Unternehmen investiert? Ganz einfach weil die Fallhöhe bis zu einem gewissen Grad gedeckelt ist. Biontechs Marktkapitalisierung stehen ein hoher Cashbestand, keine Netto-Verschuldung und nahezu sichere Cashflows für dieses Jahr kombiniert mit einem voraussichtlichen Steuersatz von ca. 28% gegenüber. Ob Corona nach 2022 Geschichte sein wird, vermag ich nicht zu sagen, wobei es mir unwahrscheinlich erscheint. Abseits dessen klingt die Pipeline, die man durch den laufenden Cashflow finanzieren kann, durchaus vielversprechend, selbst wenn nur ein Bruchteil der geplanten Impfstoffe und Therapien Erfolge zeigt.
Disclosure: Ich bin in Biontech investiert.
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